Sonntag, 20. Januar 2008

Indonesien: Genitalverstümmelung an muslimischen Mädchen

046

الاسمُ

khafd -

islamische Frauenbeschneidung.

Female genital mutilation (FGM)

FGM ist auch

indonesisch

Bislang einfach totgeschwiegen:

Genitalverstümmelung an Frauen

ist auch im größten muslimischen

Staat der Erde eine Alltäglichkeit

Von Jacques Auvergne, 20. Januar 2007

Muslimische Massenverstümmelungen an kleinen Mädchen in aller Öffentlichkeit, Blut und Schreie auf den Schulhöfen der Stadt Bandung, die mit drei Millionen Einwohnern der viertgrößten Stadt Indonesiens ist. Das klingt so verstörend, dass man es zunächst nicht glauben möchte.

FGM in Indonesien! Das ist selbst uns neu, die wir uns seit knapp zwei Jahrzehnten mit dem Thema Genitalverstümmelung an Frauen ausgiebig befasst haben. Indonesien praktiziert Großgruppen‑Beschneidungsaktionen in öffentlichen Einrichtungen wie Gebetssälen oder Grundschulen.

Ist das erst seit heute bekannt? „Akte Islam“ schreibt am heutigen Tage von der indonesischen Variante jener brutalen und archaischen Praxis, die wir normalerweise in der Sahelzone zwischen Senegal und Somalia vermuten würden mit Schwerpunkten wie Mali und Sudan.

Waris Dirie und Ayaan Hirsi Ali berichteten aus den ostafrikanischen Kulturen der Frauenbeschneidung. Vereine wie Forward, Intact, Tabu, Wadi und die Organisation terre des femmes, Personen wie Rüdiger Nehberg, Thomas von der Osten-Sacken (Nord-Irak) leisteten wichtige und weltweit anerkannte Arbeit an der Abschaffung der FGM, journalistisch immer wieder beispielsweise von Alice Schwarzer (EMMA) unterstützt.

Die Verbreitung der FGM nach Nordosten hin schien im Jemen zu enden. Dann aber wurde dank der Arbeit des Vereins Wadi die Frauengenitalverstümmelung der nordirakischen Kurden der Weltöffentlichkeit bekannt – diese Tatsache war bis dahin selbst unter Völkerkundlern und Irak‑Experten unbekannt. Aber Indonesien?

Auch in Südostasien scheint es zum Thema Beschneidung weiblicher Genitalien „untold stories“, unerzählte Geschichten zu geben.

Was ist bis heute bekannt?

„Akte Islam“ ist es wohl, der das Verdienst gebührt, das traurige Thema der indonesischen islamischen FGM endlich im deutschen Sprachraum bekannt zu machen.

Chronisch geleugnet:

Der Islam und die FGM

Im November 2006 entschied die für den sunnitischen Islam höchste Autorität genießende „Universität“, die Kairoer Al‑Azhar, dass weibliche Genitalverstümmelung nicht mit dem Islam zu vereinbaren sei. Was wohl auch nicht ganz ernst gemeint ist, denn die Millionenstadt Kairo praktiziert täglich die FGM in Form der ägyptischen Klitoridektomie. Wollte die Al‑Azhar die kulturelle Moderne beschwichtigen oder will sie die Genitalverstümmelung wirklich abschaffen? Dass muss sie unter Beweis stellen, man darf gespannt sein. In den vorausgegangenen Jahrhunderten und Jahrzehnten hielten Gelehrte der Azhar FGM sehr wohl für erlaubt oder gar für ehrbar. Seit 2007 ist FGM in Ägypten bei Strafe verboten (Wikipedia), doch wird, wie islamisch üblich, alles die familiären Angelegenheiten Betreffende nicht der staatlichen Deutung überlassen. Weshalb abzuwarten ist, ob das Verbot messbare Auswirkungen haben wird: Ob die Zahl der Klitorisamputationen an den kleinen Mädchen im muslimischen Kairo sinken wird.

Zum Prozentsatz der betroffenen indonesichen Mädchen und Frauen lässt sich die ungeheuerlich hohe Zahl „96“ nennen: Akte Islam zitiert Sara Corbett, die am heutigen Tage in der New York Times („A Cutting Tradition“) die Weltöffentlichkeit auf dieses ausgesprochen islamische Thema hinweist: 96 Prozent der Familien mindestens im Großraum Bandung und wahrscheinlich im gesamten West‑Java gaben an, ihre Töchter spätestens im Alter von 14 Jahren der grausamen Prozedur auszuliefern. In West Java (Jawa Barat), das erst im 15. und 16. Jahrhundert islamisiert wurde, rechnen sich 94 % der Bewohner dem Islam zu (unter Jawa Barat bei Wikipedia).

Der Zusammenhang von Islam und FGM wird von Muslimen wie Islamfreunden nahezu täglich ganz aufgeregt geleugnet. Richtig ist, dass FGM vorislamisch ist und damit teilweise von Polytheisten und ebenso auch von Christen praktiziert wurde. Seit Jahrhunderten jedoch ist FGM ein Problem der islamisierten Gebiete der Erde, weshalb wir die Autoritäten dieser Religion aus ihrer Verantwortung für dieses Brauchtum nicht entlassen möchten. Viele lokale islamische Autoritäten befürworten die Frauenbeschneidung. Wir werden sehen, dass das in Indonesien nicht anders ist als im Gebiet zwischen Senegal und Somalia.

Die Assalaam‑Foundation

Die islampädagogische und islamsozialarbeiterische Assalaam-Foundation ist es, die seit einiger Zeit die Organisation und Durchführung der Massenverstümmelungen an Indonesiens Mädchen organisiert und verantwortet. Grundschulen verwandeln sich vorübergehend in Operationssäle, Schultische in Operationstische. Es fließt, ganz professionell, kaum Blut.

Vermutlich sollte die Menschheit auf universelle Pädagogik und universalistische Sozialarbeit Wert legen, so lange jedenfalls, bis islamische Staaten wie der weltweit bevölkerungsreichste in der Lage sind, dem sexualmagischen Tun solcher „islamisch‑caritativer“ und „islamisch‑erzieherischer“ Organisationen wie der Assalaam‑Foundation eine Ende zu bereiten. Dank frommer Sponsoren und ehrenamtlichen Einsatzes ist die Mädchenbeschneidung kostenfrei.

In der islamischen Bevölkerung von Bandung und West‑Java hält sich der Glaube, dass Mädchenbeschneidung genau so ehrenhaft und gottgefällig sei wie die (ebenfalls vormoderne) Jungenbeschneidung. Salam heißt Frieden und der Name des religiös inspirierten Vereins lässt sich mit Friedens-Gesellschaft oder Stiftung für den Frieden übersetzen.

Lukman Hakim

Der Beauftragte für Soziale Dienste der Assalaam‑Stiftung heißt Lukman Hakim und ist ganz begeistert von FGM. Die Operation diene dem sexuellen, sozialen und seelischen Wohl der Mädchen. Dafür nennt der fromme Muslim drei Gründe.

Zum ersten werde die FGM die Libido des Mädchens stabilisieren.

Zum zweiten werde das Mädchen oder die Frau in den Augen ihres Ehemannes als viel schöner erscheinen.

Zum dritten werde die Psyche des Mädchens ins Gleichgewicht gebracht.

Der Photographin Stephanie Sinclair wurde es im April 2007, dem Lunarmonat der Geburt des Propheten dann auch gerne gestattet, die Großgruppenbeschneidungen an Mädchen zu dokumentieren.

Sinclair wurde Zeugin, wie eines Sonntag morgens mehr als zweihundert Mädchen an ihren Genitalien beschnitten wurden, viele davon anscheinend erst vier Jahre alt.

Zaghaft beginnt im größten muslimischen Land der Erde eine vorsichtige Diskussion darüber, ob Mädchenbeschneidung zweckmäßig sei. Kenner des Landes meinen, dass sich ohne einen Bann seitens der höchsten islamischen Autoritäten Indonesiens an der alltäglichen Praxis nichts ändern werde. Ein Anfang Oktober 2006 (intact-network.net) bekannt gewordener und wohl bis heute noch nicht offiziell verabschiedeter Gesetzesentwurf soll medizinischem Personal die künftige Mitarbeit an den Massenbeschneidungen untersagen, doch wird die FGM ohnehin überwiegend von Menschen durchgeführt, die das „traditionelle Beschneidungshandwerk“ gelernt haben oder geburtshelferisch ausgebildet sind. Ob Indonesiens Beschneidungen, wie in Afrika üblich, ausschließlich von Frauen durchgeführt werden?

Die Schwere der Verstümmelung variiert regional sehr. Während in einigen Teilen Indonesiens eine eher rituelle Ritzung der Klitorishaut oder auch zusätzlich der Klitoris mit einem Messer oder Skalpell üblich ist, während in manchen Dörfern und Städten ein mit einem Nadelstich erzeugter „sinnzeichenhafter Tropfen Blut“ fließen muss, um das Geschlechtsorgan sexualmagisch und im Sinne einer Initiation „zu reinigen“, so wird in anderen Landesteilen Hautgewebe oder auch zusätzlich gleichzeitig Klitorisgewebe amputiert, dass „die Größe einer Bohne“ oder „die Größe eines Nadelkopfes“ hat. Jedenfalls wird aus der als „problematisch aufgeladenen“ Klitorisregion „etwas herausgeschnitten“. Dazu benutzen die Operierenden zumeist eine Schere und Desinfektionsmittel.

Die Mädchen müssen beschnitten sein, so will es die Mehrheit sowohl der muslimischen Indonesier als auch der islamischen lokalen Gemeinschaften (intact-network, 4.10.2006). Den Umfragen nach betrachteten 2007 noch 82 % der Familien ein „Schneiden“ als sittlich angemessen (New York Times, 20.01.2008). Auch die Forderung nach operativer Entfernung von intaktem genitalem Körpergewebe in der Volumengröße „eines Samenkorns einer Guave“ oder eines „Viertels eines Reiskorns“ hält sich im Islam von Generation zu Generation.

Ob auch etwas mehr weg geschnitten werden darf? Das ist wohl zu vermuten. Der bildhafte und nicht nur bei Verwendung einer Schere zugleich bezeichnend widersinnige Ausspruch von der Größe „eines Viertels eines Reiskorns“ scheint mir aus dem fatwaproduzierenden Milieu augenzwinkernder Männerbündler zu stammen und erinnert ein wenig an die Sache mit der Frage nach dem korangemäßen Prügeln der widerspenstigen Ehefrau: „Ja, aber nur ein wenig und nicht ins Gesicht und mit einem Hölzchen groß wie ein Zahnstocher.“ Eben augenzwinkernd: Es mag so oder auch anders sein. So viele Zahnstocher werden dann im entscheidenden Augenblick nicht auffindbar sein. Das ist dann Kismet.

Von Klitoridektomie, wie sie in Ägypten, dem Urlaubsziel der ebenso sonnenhungrigen wie gleichgültigen Mitteleuropäer üblich ist, ist der New York Times aus dem Indonesien des Jahres 2007 nichts bekannt. Nichts oder noch nichts?

Frau Sri Hermiyanti vom Gesundheitsministerium in der Hauptstadt Jakarta spielt die Unschuldige. Dr. Hermiyanti hält die „rituelle Reinigung“ der Mädchengenitalien für harmlos und bedauert im selben Atemzug, dass in Indonesien doch leider zumeist auch eingeschnitten oder sogar genitales Gewebe weg geschnitten wird. Sie weiß genau, dass immer ein wenig Blut fließen muss, verteidigt derartige archaische Sexualmagie und verschweigt das Umfunktionieren der Schulbänke in Operationstische ebenso wie die die Schmerzensschreie der Mädchen.

Beobachter der Gruppe „Population Council“, die Indonesiens Regionen vor 2003 bereist haben, berichteten sehr wohl von einer gelegentlichen Durchführung der Klitoridektomie.

Laut Forward Germany soll FGM auch in Malaysia vorkommen.

Jacques Auvergne

Quellen zur

Beschneidung weiblicher Genitalien

Wikipedia

deutsch

http://de.wikipedia.org/wiki/Beschneidung_weiblicher_Genitalien

englisch;

Wort FGC etwas bevorzugt gegenüber FGM

http://en.wikipedia.org/wiki/Female_genital_cutting

französisch;

Landkarte: klar „Indonesien nicht betroffen“

http://fr.wikipedia.org/wiki/Mutilations_g%C3%A9nitales_f%C3%A9minines

FGM und Islam, Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Beschneidung_weiblicher_Genitalien#Vorkommen_im_Islam

FGM in Indonesien:

Akte Islam am 20.01.2007

http://www.akte-islam.de/3.html

New York Times am 20.01.2007

http://www.nytimes.com/2008/01/20/magazine/20circumcision-t.html?_r=3&oref=slogin&ref=magazine&pagewanted=print&oref=slogin&oref=slogin

FGM in Kurdistan:

Wadinet

http://www.wadinet.de/projekte/frauen/fgm/studie.htm

http://www.wadinet.de/wadiev/presse/spiegel/16-06-06_diepresse.htm

FGM in Somalia

Faduma Korn

http://www.faduma-korn.de/info_fgm.htmlhttp://www.faduma-korn.de/info_fgm.html

Intact

http://www.intact-network.net/

Verein Tabu

http://www.verein-tabu.de/

Target (Rüdiger Nehberg)

http://www.target-human-rights.de/HP-00_aktuelles/index.php

FGM auch in Indonesien und Malaysia

Forward Germany

http://www.forward-germany.org/index.php?page=weibliche_beschneidung