Mittwoch, 18. Juni 2008

Kinderrechte ins Grundgesetz

Nilüfer,

persisch-türkisch:

„Der Lotos, die Seerose“

Bericht aus unserem Leserkreis. Über den Alltag in Deutschlands Jugendämtern und die selbst verschuldete Unmündigkeit Sozialer Arbeit. Alle Namen wurden von der Redaktion des Blogs Schariagegner geändert

Es ist merkwürdig, wie fern ein Unglück ist, wenn es uns nicht selbst betrifft. John Steinbeck

Nilüfer

Marion Laurenburg: An einem Donnerstag im Januar, es war der letzte in den Weihnachtsferien, betraten mein Kollege und ich schon morgens um 8:30 das Gemeindezentrum einer der beiden deutschen Großkirchen und schlossen den Jugendraum auf. Wie in der unterrichtsfreien Zeit üblich, wollten wir uns mit einigen der von uns betreuten Kinder zum gemeinsamen Frühstück treffen, um anschließend zu einem der beliebten, erlebnisreichen Ausflüge zu starten. Ein Besuch in einem Naturkundemuseum stand diesmal auf dem Programm.

Gegen 10:30 zogen wir, 5 Kinder, mein Kollege und ich gut gelaunt und gesättigt, mit ausreichendem Proviant, den Fahrkarten, Handy und Notfallset ausgestattet, zur Bushaltestelle. Alles war gut organisiert, die öffentlichen Verkehrsmittel waren pünktlich, keinem wurde schlecht und wir kamen erwartungsvoll und guter Stimmung am Zielort an. Dort im ökologischen Erlebnisgarten hatten die acht- bis zehnjährigen SchülerInnen dann genügend Zeit und Gelegenheit, mit den eigens vorbereiteten physikalischen Versuchsanordnungen zu experimentieren, es gab die Gelegenheit mit Wasserexperimenten herumzumatschen, Hebelgesetze auszuprobieren, optische Täuschungen wurden präsentiert, besonders hat die Mädchen und Jungen beeindruckt, wie untrainiert und verkümmert ihre Sinneswahrnehmungen waren, vor allem beim Geruchs- und Geschmacksinn zeigte sich, typisch für Großstadtkinder, Entwicklungspotential. Die Kinder hatten an dieser ungewohnten Form des selbst gesteuerten, experimentellen Lernens viel Freude, die Veranstalter haben aber auch dafür gesorgt, dass genügend Raum für das Herumtoben, Lachen, Krakeelen, Essen und Trinken blieb.

Nach einigen Stunden saßen wir dann auch nach einem spannenden, lehrreichen und spaßigen Ausflug glücklich und zufrieden, jedoch ziemlich erschöpft im Bus und freuten uns, bald wieder zu Hause zu sein. Wir kamen auch pünktlich an der Zielhaltestelle an. Auf dem kurzen Fußweg zum Gemeindezentrum, wo wir unseren Ausflug ausklingen lassen wollten, kamen wir an einer Döner-Grillstube vorbei. Nilüfer Yilmaz, ein zehnjähriges türkisches Mädchen aus unserer Gruppe, sah durch das große Fenster des Ladens und bat mich, schnell hineinzuspringen zu dürfen, um einen der Mitarbeiter dort zu begrüßen. „Das ist mein Onkel, äääh, nicht Onkel, äääh, ich weiß nicht mehr wie das auf Deutsch heißt.“ Ich hatte Nilüfer und auch den Rest der Familie schon öfter dort essen sehen, manchmal sprach man im Vorbeigehen miteinander. Es schienen also Freunde oder sogar Verwandte der Familie zu sein, die dort arbeiteten. Ich sagte darum zu und versprach, mit den anderen draußen zu warten.

Es waren keine anderen Gäste da, niemand versperrte mir das Blickfeld und so konnte ich im Hauseingang durch das Fenster bis in den hintersten Winkel der Imbissstube sehen, wo ein kräftiger, nicht sehr großer Südländer, der deutlich älter als das Mädchen war, etwa 35 - 40 Jahre alt, die Schülerin begrüßte. Als ich beobachtete, wie der Mann die Zehnjährige viel zu innig und intim umarmte, ihr dabei über den Rücken streichelte, Nilüfer jedoch stocksteif die bemerkenswert einseitigen Zärtlichkeiten über sich ergehen ließ, wurde ich misstrauisch und unruhig. Ich weiß noch, dass ich laut fragte: „Was geht denn da ab? Was ist da los?“, weil man derart erotisch seine wesentlich jüngere Verwandte oder die Kinder der Nachbarn oder der Freunde nicht begrüßt.

Bevor mein Kollege sehen konnte, was mich so beunruhigte, ließ der Mann die Schülerin auch wieder los. Um mir einen genaueren Eindruck zu verschaffen, betrat ich, ohne Rücksprache mit meinem Kollegen zu halten, der mit der Beaufsichtigung der anderen vier Kinder beschäftigt war, den Laden. Wahrscheinlich war mir meine Empörung anzusehen, denn kaum dass ich die Imbissstube betreten hatte, drängte ein weiterer Mitarbeiter des Ladens sich zwischen das Mädchen und mich. Dabei hatte er ein scharfes Dönermesser, mit dem er gerade noch Fleisch geschnitten hatte, in der Hand .und streckte den Arm seitlich weit aus, einem Schlagbaum an einem alten Grenzübergang nicht unähnlich. Diese unmissverständliche Geste, unterstrichen durch seinen hasserfüllten Blick, waren eindeutig, ich sollte es nicht wagen einen Schritt näher zu kommen. Um das Mädchen nicht zu gefährden und dem Kind eine Chance zu geben, möglichst unkompliziert und sicher aus der Situation herauszukommen, fragte ich Nilüfer, ob sie mit uns zum Gemeindezentrum kommen oder lieber bleiben wolle. Sie sagte, sie wolle bleiben. So verließ ich den Dönerverkauf, um mit den anderen ins Gemeindezentrum zurückzukehren und die Gruppe zu verabschieden. Anschließend besprach ich mit meinem Kollegen die Erlebnisse im Schnellrestaurant und klärte das weitere Vorgehen ab.

Josef Eppelmann: Auch meine Kollegin war der Ansicht, dass wir zumindest in Betracht ziehen mussten, dass hier von einem seit längerem andauernden sexuellen Missbrauch auszugehen sei, der vielleicht sogar den Eltern Yilmaz bekannt war. Da wir keine ausreichenden Beweise für das Vorliegen einer solchen Straftat hatten, beschlossen meine Kollegin und ich, weder die Eltern noch die Behörden zu informieren. Wir wollten das Kind weiter beobachten und Kontakt zu Fachleuten einer Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch von Kindern aufnehmen und dort um Unterstützung bitten. Das veranlassten wir auch umgehend. Nochmals unseren Dank für die kompetente, einfühlsame Begleitung und Beratung, die uns bis heute von großem professionellem und persönlichem Nutzen ist.

Nilüfer war das mittlere von drei Kindern der Familie Yilmaz und würde bald elf Jahre alt werden. Sie besuchte die letzte Klasse einer kleinen deutschen Grundschule. Einige der SchülerInnen dort nutzten in den nahe gelegenen Gemeinderäumen ein Förderangebot mit Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfe und Freispiel, das durchaus multikulturell besetzt war. Auch Nilüfers zwölfeinhalbjähriger Bruder Serkan, in der Erprobungsstufe der Realschule, kam wie sie selbst eine zeitlang 3-4 mal wöchentlich ins Gemeindezentrum, bis er, abwechselnd mit seiner zweiten Schwester Serpil, dem fünfjährigen Nesthäkchen der Yilmaz, gute drei Monate lang von meiner berufserfahrenen Kollegin Einzelunterricht bekam. Zweimal wöchentlich und für jeweils drei Stunden war sie in dieser Zeit Gast bei der Familie, wir kannten die Lebensverhältnisse also recht gut. Es handelte sich bei den Yilmaz nicht unbedingt um eine streng gläubige, aber sehr traditionelle und bildungsferne Familie, es gab außer dem Koran und den Schulbüchern der Kinder keinen Lesestoff, nicht einmal eine Fernsehzeitung lag auf dem Couchtisch.

Das Tochter-Eltern-Verhältnis, auch das der übrigen Kinder, war von Respekt und Angst vor Strafe geprägt. Einmal konnte meine Kollegin, die im gleichen Raum war, nicht verhindern, dass Nilüfer von der Mutter wegen einer Nichtigkeit eine knallende Ohrfeige bekam, so dass die Finger im Gesicht minutenlang abgemalt waren. Dem Kind standen die Tränen in den Augen, doch sie wagte nicht zu weinen.

Ein paar Wochen später erschien das Mädchen mit einem zu einem Dreieck gefalteten klitzekleinen und mohnroten Nickituch auf der Straße, das am Hinterkopf zusammen gebunden wurde und reichlich albern aussah, jedoch die hübschen dunkelbraunen und schulterlangen Haare rücklings noch weit herausschauen ließ. Das war ihre Art mit der mütterlichen Anweisung umzugehen, künftig außerhalb des Hauses ein Kopftuch zu tragen.

Laurenburg: Kurz nach dem Jahreswechsel aber war das Haar der Zehnjährigen immer ganz bedeckt. Den Gruppenregeln entsprechend, zog sie beim Betreten des Jugendraums das Kopftuch aus, um es beim Verlassen wieder umzubinden. Weil sie das des Öfteren vergaß, gab es dann zu Hause Ärger. Wie es in ähnlich patriarchalisch strukturierten Milieus üblich ist, hatte die Grundschülerin kein eigenes Taschengeld. Für jedes Kaugummi, jedes Heft, jeden Bleistift musste sie ihren Bruder um Erlaubnis fragen. Ein zwölfjähriger Bengel, der die Macht hatte zu entscheiden, ob er dem Bitten seiner zwei Jahre jüngeren Schwester gnädig nachgibt oder ihr despotisch verbietet etwas zu kaufen, man stelle sich vor, wie das den Charakter des heranwachsenden Machos prägt.

Zuhause war das Mädchen es gewohnt, hinter ihrem Bruder herzuräumen. So musste sie beispielsweise den Platz, an dem Serkan saß und den er nie ordentlich verließ, abwischen, Kleidung, die er überall verstreute, musste sie in den Schrank räumen. Wenn die Geschwister gemeinsam nach der Schule nach hause gingen, trug die Zehnjährige seinen Schulranzen zusätzlich zu dem ihren. Sie trug dann halt zwei Tornister, der einen Kopf größere Bruder hatte die Hände frei. Bereits mit zehn Jahren musste das Mädchen neben den Hausaufgaben Mutter Yilmaz im Haushalt helfen und oft auf die jüngere Schwester aufpassen. Während ihr Bruder seine freie Zeit einteilte, wie es ihm gefiel, er sich verabredete mit wem er wollte, stand das seiner Schwester nicht zu. Wie Frau Karagözlü bestätigen wird, ist das in traditionellen türkischen Familien keine Seltenheit.

Wie gewohnt kam Nilüfer Yilmaz drei bis vier mal in der Woche zur Lernförderung, auch an dem Freizeitangebot für Mädchen hatte sie viel Freude. Verschiedentlich fiel uns während des Nachhilfeunterrichts beim Wiederholen des Lernstoffs die nicht altersgemäße Umgangsweise und Ausdrucksweise in Zusammenhang mit Lehrinhalten des Aufklärungsunterrichts auf. Während sich die etwa gleichaltrigen anderen SchülerInnen verlegen kichernd und herumdrucksend mit dem Thema auseinandersetzten, meinte Nilüfer kalt: „Ich weiß wie ein Penis aussieht.“ Manchmal erwähnte sie wie beiläufig, dass sie in dieser Nacht bei ihrer Tante Nilgün, Frau Yilmaz Schwägerin übernachten würde, auf meine Nachfrage, ob sie sich darauf freue, wich sie mir immer aus oder wechselte das Thema. Bald bemerkten wir, wie das Mädchen zunehmend stiller wurde, kaum noch redete, auch nicht mit den anderen Kindern. Anfang März beobachteten wir, dass Nilüfer Aksen, eine ein Jahr jüngere türkische Schulkameradin aus der Gruppe, Tochter eines Imams, zur Seite zog und ihr zuraunte, dass sie ihr ein Geheimnis verraten müsse.

Während Nilüfer im Allgemeinen weiterhin sehr still war und den anderen Kindern und uns auswich, hielten die beiden Mädchen jetzt engen Kontakt. Ständig hatten sie in den Pausen oder auf dem Weg nach Hause geheimnisvoll zu tuscheln. Irgendetwas Besonderes schien bevorzustehen, worauf sich Nilüfer zu freuen schien. Da die beiden türkisch sprachen, verstanden wir kein Wort. Als ich nachfragte, was denn los sei, dass sie so aufregt sei, erzählte sie, dass in ihrer Familie ein großes, fünftägiges Fest kurz bevor stehe. „Ich weiß nicht wie das auf Deutsch heißt, ich trage dann ein wunderschönes Kleid. Es gibt leckeres Essen, wir feiern und es kommen meine Großeltern, auch Verwandte aus der Türkei.“

Ich wunderte mich, dass Nilüfer weiterhin samstags zur Mädchengruppe kam, obwohl sie sich für eine Sport AG in der Schule angemeldet und mehrmals mitgeteilt hatte, dass sie bald nicht mehr kommen würde. Offensichtlich gefiel es ihr besser, zu basteln und zu klönen als beim Training zu schwitzen. Natürlich freute ich mich darüber, zumal ich hoffte, beim ungezwungenem Spielen und Spaßhaben eher das Vertrauen des für ihr Alter viel zu nachdenklich, ernst und traurig wirkenden Mädchens zu gewinnen. Das gelang mir jedoch nicht in dem gewünschten Maße. Dann begann Aksen unbegründet immer seltener zu erscheinen. Auf Anfrage meinte sie verlegen „Ich übe jetzt mit meinem großen Bruder“. Der Bruder aber, das wussten wir alle, würde sich nie mit seiner kleinen Schwester abgeben. Das wäre unter seiner Würde gewesen. Dann verabschiedete sich Aksen endgültig aus der Gruppe. Darüber war Nilüfer sehr traurig, sie zog sich noch mehr zurück und begann sich auch körperlich zu verändern.

Die Schülerin entwickelte einen sehr großen Appetit und stopfte wahllos Lebensmittel und Süßigkeiten in sich hinein, nie verzichtete sie, wenn sie von den anderen Gruppenmitgliedern Schokoriegel oder ähnliches Zuckergebäck angeboten bekam. Oft gab es deswegen mit dem Bruder Ärger, der sie wegen ihrer Esslust hänselte. Serkan hatte auf sein blechernes Federmäppchen mehrfach „şişlik“ geschrieben, was etwa „Anschwellung, Geschwulst, Schwellung“ bedeuten kann. Nilüfer wurde zunehmend trauriger, sonderte sich von den anderen mehr und mehr ab, wenn sie auch immer wieder meine Nähe suchte, war sie meistens sehr allein. Das Mädchen wurde rundlicher. Manchmal wurde ihr schlecht. Na klar, so was kommt von so was, dachte ich und bat das Kind wenigstens, nicht soviel Süßigkeiten zu essen.

Eines warmen Frühlingsnachmittags stand Nilüfer schon vor der Eingangstür des Gemeindezentrums und wartete auf uns. Mir fiel an diesem wunderschönen Tag besonders auf, wie still und bedrückt sie auf der Mauer saß. Früher wäre sie uns entgegengelaufen und hätte laut gerufen: „Ich bin die Erste, ich bin die Schnellste.“ An diesem Dienstag reichte es nur für ein gleichgültiges „Hallo.“ Als ich das zehnjährige Mädchen, das nun vor der Haustüre stand, von der Seite kommend ansah, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Wie eine kleine Kugel wölbte sich ihr Bauch vor. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.

Eppelmann: Wir schlossen auf und gingen hinein. Das Mädchen folgte uns mit hängenden Schultern, gesenktem Kopf, setzte sich an ihren Platz und begann mit ihren Hausaufgaben. Wieder fiel uns auf, dass die Schülerin, wie in letzter Zeit immer wieder, dafür sorgte, allein am Tisch zu sitzen. War das nicht möglich, ließ sie nur Mädchen neben sich sitzen und platzierte die Schultasche zwischen sich und die Nachbarschülerinnen. Darauf von meiner Kollegin angesprochen, meinte die Zehnjährige: „Ich kann mich dann besser konzentrieren.“ Auffällig, wie die Schülerin sich von den anderen Kindern absonderte. Einmal war es dann einem etwa gleichaltrigen Jungen doch gelungen, sie zu einem Tischtennisspiel zu überreden, da habe ich die Zehnjährige nach langem wieder lachen hören. Es war erschütternd, wie das Kind sich veränderte.

Laurenburg: Wenn Nilüfer früher in den Pausen im ganzen Haus, in dem sie sich gut auskannte, überall herum sprang, ging sie jetzt nicht einen Schritt ohne Begleitung. Sogar zur Toilette wollte sie nicht allein gehen, ich musste ihr dann versprechen, vor der Türe zu warten, bis sie herauskam. Wenig später bat ich Nilüfer nach dem Unterricht noch zu bleiben. Ich erklärte ihr unter vier Augen, dass mir aufgefallen sei, wie sie sich in kurzer Zeit verändert habe und fragte sie, ob sie sich krank fühle. Sie schüttelte den Kopf und meinte, es ginge ihr gut. Da die Schülerin mir dabei mit den Blicken auswich, fragte ich, ob es zu hause ein Problem gäbe. Sie schüttelte nur traurig den Kopf. Meine nächste Frage war, ob denn etwas in der Schule passiert sei. Da begann sie zu weinen und erzählte mir, dass Aksen, die Tochter des Imams, mit der sie im Gemeindezentrum und wohl auch in den Schulpausen sehr oft zusammen gewesen war, nicht mehr mit ihr reden und spielen wolle und sogar anderen muslimischen Mädchen verboten habe, sich mit Nilüfer zu unterhalten und oder zu beschäftigen.

Sie berichtete, dass Aksen sich so ekelhaft benehme seit sie nicht mehr zur Nachhilfegruppe ins Gemeindezentrum kam. Da es an dieser Grundschule, wie an vielen anderen auch, leider üblich ist, dass muslimische Kinder den deutschen MitschülerInnen außerhalb der Unterrichtsveranstaltungen aus dem Weg gehen, blieb Aksens ehemalige beste Freundin in den Pausen und auf dem Weg zur Schule immer allein. Eine Begründung habe die Tochter des Imams nicht geben wollen oder können. Die Klassenlehrerin habe Nilüfer auch schon um Hilfe gebeten, die habe sie aber ohne sie anzuhören mit der Begründung weggeschickt, sie habe im Moment keine Zeit. Später habe die Schülerin nicht mehr gewagt die Lehrerin anzusprechen. Ich versuchte die Zehnjährige zu trösten, bestätigte ihr, dass Aksen sich sehr gemein verhalten und mich auch enttäuscht habe und bot ihr an, in dem Streit zu vermitteln. Nilüfer nahm mein Angebot dankend an.

Eppelmann: In diesen Tagen sprach mich meine Kollegin an: „Sag mal, fällt dir was an dem Mädchen auf?“ Auch ich hatte bemerkt, dass Nilüfer einen merkwürdig spitz nach vorne gewölbten Bauch hatte und in der seitlichen Silhouette recht schwanger aussah. Was wir natürlich tagelang nicht fassen wollten. Gemeinsam mit der Beratungsstelle erarbeiteten wir ein Konzept, um Nilüfer zu helfen. Es war bereits Mitte April und der Bauch des Mädchens wurde immer dicker. Meine Kollegin sprach unabhängig voneinander zwei im Gemeindehaus tätige Frauen an, die das Mädchen gut kannten. Als erstes die Gärtnerin: „Hast du dir Nilüfer schon mal von der Seite angeschaut?“, auch diese antwortete: „Das Kind ist schwanger. Ist es schon vierzehn oder erst dreizehn?“ „Nein, Nilüfer ist zehn!“ „Das gibt es nicht. Ja, das Kind ist schwanger, ich als Großmutter kann das beurteilen. Die Art wie sie geht, wie sie sich bückt, wie sie den Bauch schützt, sie bewegt sich wie eine Schwangere, das ist anthropologisch, das tun werdende Mütter auf der ganzen Welt so, solche Mädchen kenne ich aus meiner Zeit in Brasilien. Weiß der Pastor schon Bescheid?“

Eine zweite im Gemeindezentrum beschäftigte Mittfünfzigerin, Frohnatur, selbst Mutter von vier Kindern und Oma von drei Enkelkindern, wurde von der Nachhilfelehrerin, die auch Mutter ist, mit einem „Kommst du mal eben mit runter?“ unter einem Vorwand in den Jugendraum begleitet, wo sie sich einige Minuten lang im mit fünf Kindern bevölkerten Zimmer aufhielt, darunter auch Nilüfer. Die Kinder hatten gerade Pause. Sie plauderte wie üblich unterhaltsam über das Wetter und über ihre Enkelkinder und verließ den Raum kurze Zeit darauf. Etwa zwei Stunden später trafen sich die Erwachsenen auf der Terrasse. Diese zweite Mitarbeiterin der Gemeinde sprach die Nachhilfelehrerin direkt an: „Ich weiß, warum du mich wirklich herunter gelockt hast. Die ist schwanger, ne?“ „Ja. Im vierten Schuljahr!“ „Ist sie mehrmals sitzengeblieben? Hat sie mehrfach wiederholt?“ „Nein. Das Mädchen ist zehn Jahre alt.“ „Das kann doch wohl nicht wahr sein. Und was machst du jetzt?“ „Ich werde das Jugendamt einschalten. Und den Pastor informieren. Das wird diesmal kein angenehmes Gespräch, aber da muss ich wohl durch.“

Noch zum Pastor. Drei Frauen, die als Mütter oder sogar Großmütter eine Glaubwürdigkeit haben, die eigene Körpererfahrung und Lebenserfahrung auf ein knapp elfjähriges Mädchen zu beziehen, hielten Nilüfer über Wochen hinweg für schwanger. Leider waren zwei dieser Mitwisserinnen, die das Kind persönlich kannten und über zehn Wochen besorgt die körperliche Veränderung des Mädchens registrierten, gewissermaßen beim Pastor angestellt, jedenfalls bei der Kirche in Diensten. Diese beiden nahm sich Hochwürden besonders „seelsorgerlich“ vor und verpflichtete sie durch eine Dienstanweisung, über den Fall nie mehr zu sprechen, das heißt, künftig nicht mehr zu sagen, das Mädchen sei persönlich als schwanger eingeschätzt worden.

„Ich habe den beiden die dienstliche Anweisung gegeben, über den Fall Nilüfer nicht mehr zu reden, mit niemanden“, so der Pastor telefonisch zu uns. Dieses Vorgehen könnte man als Beeinflussung von Zeugen beschreiben. Die beiden Frauen waren und sind von dem Pastor existenziell abhängig. Hochwürden drängte mithin zwei Frauen zu verschweigen jemals ein schwangeres Kind gesehen zu haben. Wir haben damit zwei Ansprechpartnerinnen weniger, die beiden Frauen jedenfalls haben wir bis heute nicht mehr auf den Sachverhalt angesprochen. Einmal im Quartal sieht man sich, dem Thema Nilüfer weichen wir jedoch alle aus.

Laurenburg: Auch in den folgenden Wochen war der Geistliche eifrig bemüht, jegliche Spuren, die auf einen Bezug des Mädchens zum Gemeindezentrum hätten hinweisen können, zu verwischen. Mehrfach lief er zwischen Jugendamt, Kirche und Grundschule hin und her, um begierig alle die Informationen aufzunehmen und weiter zu geben, die halfen, das Gemeindezentrum ins rechte Licht zu rücken. Dabei scheute er nicht davor zurück, das zehnjährige Opfer als notorische Lügnerin darzustellen, weil er „aus verlässlicher Quelle“ gehört habe, dass die Schülerin öfter flunkert. Eine in dieser Entwicklungsphase selbst unter unproblematischen Lebensumständen gar nicht so seltene Verhaltensweise.

Eppelmann: Die anderen Grundschülerinnen und Grundschüler merkten, altersgemäß naiv und verträumt, glücklicherweise absolut gar nichts, Schwangerschaft eines Kindes ist für sie offensichtlich und Gott sei Dank nicht Teil ihrer Lebenswelt. Eine vierzehnjährige Jugendliche jedoch sprach meine Kollegin an: „Sag mal, ist die Nilüfer schwanger, die sieht aus wie meine Mutter, als mein Bruder unterwegs war?“ „Das scheint so zu sein, auch mir ist der Bauch aufgefallen.“ „Die ist doch viel zu jung. Was machst du jetzt, wie wird es mit ihr weitergehen?“ „Ich werde das Jugendamt einschalten müssen. Bitte sprich mit niemandem aus der Kindergruppe darüber.“ „Ok, klar.“

Laurenburg: An einem Samstag, die Mädchengruppenstunde war beendet, es war alles aufgeräumt und gespült und die Kinder wollten nach Hause gehen, kam eines der Mädchen auf eine dumme Idee. Sie wollte sich über Nilüfers Ängstlichkeit lustig machen und meinte aufgeregt: „Da in der Ecke steht ein Mann.“ Im nächsten Moment starrte Nilüfer mich mit weit aufgerissenen Augen und Mund an, kreidebleich, nicht fähig sich zu rühren oder einen Ton von sich zu geben. Nur weil ich den Arm um sie legte und ihr versicherte, dass die Türe abgeschlossen war und es doch niemandem möglich ist durch die verschlossene Tür zu gehen, gelang es mir das Mädchen zu beruhigen.

Weitere Tage vergingen. Nilüfers Bauch wurde immer dicker. Wildfremde Leute auf der Straße blieben stehen und guckten uns hinterher, wenn wir mit dem Mädchen über den Marktplatz gingen. Das Kind zeigte inzwischen verwahrloste Züge, fleckige Kleidung, oft kam sie schon viel zu früh zur Gruppenstunde oder zur Nachhilfe, obwohl sie damit rechnen musste, dass die Eingangstür abgeschlossen war. Wenn die Gärtnerin gerade da war durfte die Schülerin ihr helfen.

Nilüfers Klassenlehrerin konnte die Verhaltensänderung und den zunehmend dickeren Spitzbauch der Viertklässlerin nicht übersehen haben. Die Pädagogin, deren Aufgabe es eigentlich sein sollte, ihren SchülerInnen Ansprechpartnerin und Beraterin in den vier Jahren einer sehr wichtigen Lebensphase zu sein, die prägend für die Einstellung zum lebenslangen Lernen ist und auch die individuelle Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst, sprach weder mit dem Mädchen noch mit dessen Eltern. Sie stand kurz vor ihrer Pensionierung, nach diesem vierten Schuljahr würde sie keine eigene Klasse mehr übernehmen und sich auf den wohlverdienten Ruhestand vorbereiten. Jetzt, kurz vor dem Ende ihrer beruflichen Karriere, wollte sie keinen Skandal. Sie wird die Sommerferien sehnlichst herbeigewünscht haben. Dann wäre sie das Problem los gewesen, da Nilüfer im nächsten Schuljahr eine weiterführende Schule besuchen würde. Übrigens hätte ihr eigentlich auffallen müssen, dass die Schülerin am Stichtag an keiner solchen Bildungseinrichtung in der näheren Umgebung angemeldet war. Ihr ist es als Einzelperson gelungen, das übrige Kollegium der Grundschule, dass uns größtenteils nicht einmal persönlich kannte, genau wie den Pastor davon zu überzeugen, der Familie sei durch unser „unprofessionelles“ Vorgehen schwerstes Unrecht zugefügt worden. Hauptvorwurf war, vor dem Einschalten der Behörden die Familie nicht zu dem Sachverhalt gehört zu haben. Genau das aber hielt nicht nur der Polizist für gefährlich und einer erfolgreichen Klärung der Sachverhalte im Sinne des Kindeswohls für hinderlich.

Eppelmann: Wahrscheinlich war die Klassenlehrerin völlig überfordert. Welcher Kollegin hätte sie sich anvertrauen können? So etwas, Kindesmissbrauch und mutmaßliche Schwangerschaft einer Zehnjährigen ist an deutschen Schulen einfach nicht vorgesehen, das kommt nicht vor. Sicherlich hätte sie sich an eine einschlägige Beratungsstelle wenden können, doch dazu fehlte ihr wohl der Mut. Aufschlussreich, dass Deutschlands angeblich so qualifizierte Pädagoginnen angesichts des auch hierzulande praktizierten muslimischen Traditionalismus mit seinen Verhaltensweisen aus der kulturellen Vormoderne ganz offensichtlich nicht mehr handlungsfähig sind. An eine urdeutsche Familie hätte man sich wahrscheinlich heran getraut, auch an eine italienische oder spanische. Bei den muslimischen MigrantInnen oder bei Roma-Clans jedoch wechseln deutsche Behörden panisch die Blickrichtung wenn es um bronzezeitliche Bräuche wie Kinderverlobung und Kinderheirat[1] geht. Wie viele Mädchen wie Ghulam[2] wird es in Europas Parallelgesellschaften geben? Auch das ist eine Form der Diskriminierung, auch diese Kinder haben Menschenrechte.

Laurenburg: Eines Tages kam Nilüfer besonders niedergeschlagen in die Mädchengruppe. Als ich hörte, wie sie zu einer Schülerin sagte, dass sie sich aus dem Fenster stürzen wolle, übertrug ich meiner Vertreterin die Gruppenleitung und zog das Mädchen aus der Gruppe, um in einem anderen Raum unter vier Augen mit ihr zu reden. Ich sagte ihr, dass man, wenn man aus dem Fenster springt, sich sehr schmerzhaft, folgenschwer oder sogar tödlich verletzen kann und schon sehr traurig und verzweifelt sein muss, um das Risiko einzugehen, sich beim Sturz andauernde Schäden zuzufügen oder gar umzubringen. Ob sie mir nicht sagen wolle, was sie bedrückt, damit wir gemeinsam eine andere Lösung finden. Da begann sie zu weinen, und sagte, dass sie bald nicht mehr kommen werde, auch nicht zur Hausaufgabenbetreuung und darüber traurig sei. Ich versuchte sie damit zu trösten, dass wir sie dann vermissen würden, dass sie uns jeder Zeit besuchen könne und sie uns auch bei zufälligen Begegnungen ansprechen dürfe. Für alle Fälle hätte sie ja auch meine Telefonnummer. Auf meine Frage, ob noch andere Dinge sie bedrücken, schwieg sie. Ich versicherte ihr, dass ich verstanden hätte, dass es manchmal sein kann, dass einem das Herz schwer ist, aber man darüber in dem Moment nicht sprechen kann. Sie könne mich jederzeit ansprechen, wenn ihr danach sei, zu reden. Wir gingen dann zurück in die Gruppe und setzten unsere Töpferarbeiten fort. Nilüfer formte aus Ton einen Pilz, eine Schlange und ein Herz, in dem die Initialen ihres Namens eingeritzt waren.

Als die Schülerin etwa eine Woche später mit einer wenn auch nicht sehr tiefen Schnittwunde am Handgelenk erschien, beschlossen wir das Jugendamt einzuschalten. Die KollegInnen hatten jedoch Feierabend, eine Rufnummer für Notfälle außerhalb der Dienstzeiten gab es nicht. Daher riefen wir bei der Polizei an. Der Beamte an der Zentrale des Polizeipräsidiums vermittelte uns an die zuständige Dienststelle. Der berufserfahrene Hauptkommissar, selber Vater, nahm den geschilderten Sachverhalt auf und riet uns dringend, nichts mehr in dieser Angelegenheit zu unternehmen, um uns und das Kind nicht zu gefährden. Er teilte uns mit, dass von dem Verdacht des Kindesmissbrauchs auszugehen sei, den die Eltern zumindest dulden. Wenn die auch nur eine schwache Ahnung hätten, dass gegen sie ermittelt wird, würde Nilüfer auf Nimmerwiedersehen in der Türkei verschwinden und deutsche Behörden hätten keine Möglichkeiten einzugreifen und das Kind zu schützen. In den nächsten Tagen würde ein Beamter uns zu dem Sachverhalt vernehmen und das Jugendamt würde sich bei uns melden. Das geschah denn auch.

Zuerst meldete sich die Polizei und bestellte mich zwei Tage später aufs Präsidium. Auch das Jugendamt vereinbarte noch in der gleichen Woche einen Termin mit meinem Kollegen und mir. Die Kollegin im Jugendamt führte das Gespräch mit maschineller Routine. Im Wesentlichen ließ sie uns schildern was wir beobachtet hatten, stellte wenige Fragen und hielt das Gehörte schriftlich fest. Zum Schluss ermahnte sie uns dringend, uns fortan in der Angelegenheit absolut zurückzuhalten, sie würde alles Notwendige selbst in die Hand nehmen. Nach dem Gespräch fühlten wir uns zwar wie gerädert, waren aber auch erleichtert, eine weitere kompetente Mitstreiterin gefunden zu haben. Das sollte sich jedoch als absoluter Irrtum herausstellen.

Eppelmann: Für uns waren diese Wochen im Mai und Juni fast unerträglich, doch hielten wir uns an den dringenden Rat des Polizeibeamten und verrichteten Business as usual. Ohne die Unterstützung der Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch wäre uns das nicht gelungen. Nilüfer kam zunächst weiterhin dreimal in der Woche zur Hausaufgabenbetreuung und samstags auch in die Mädchengruppe. Das Ende des Schuljahrs und die Sommerferien rückten näher. Die Kinder freuten sich auf den Urlaub, nur das zehnjährige türkische Mädchen nicht. Sie meinte einmal zu mir, dass sie sogar lieber täglich ins Gemeindezentrum kommen, Hausaufgaben machen und für Klassenarbeiten üben würde, als mit ihren Eltern in die Türkei zu fahren.

Im Gespräch mit den anderen Kindern, die wissen wollten, welche Schule Nilüfer denn im nächsten Schuljahr besuchen würde, stellte sich eines Tages heraus, dass die Eltern die Zehnjährige offensichtlich bei keiner Schule angemeldet hatten. Die Schülerin war auch nicht wie die anderen bei den diversen Informationsveranstaltungen gewesen, um sich mit ihrer Mutter einige Schulen anzusehen oder sich gar bei einer bestimmten anzumelden. Die Zehnjährige meinte auf meine erstaunte Frage, dass sie auch keinen Bescheid einer Schule bekommen habe, der sie als künftige Schülerin begrüßt. Die Mutter habe auf ihre Frage gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen, es sei alles in Ordnung.

Da das Prozedere des in Deutschland üblichen Schulwechsels den Yilmaz durch ihren Sohn Serkan bekannt sein musste, ihr Sohn besuchte bereits die 6. Klasse in der Realschule, machte diese Nachricht meine Kollegin und mich stutzig. Für die fast Elfjährige bestand doch Schulpflicht. Sollte Nilüfer nicht in Deutschland bleiben, drohte dem Kind der unfreiwillige Umzug in die Türkei? Wir beschlossen, Anfang der Woche beim Jugendamt vorzusprechen, einmal um diese Information an die Sozialpädagogin weiterzugeben, aber auch um uns nach dem Sachstand zu erkundigen. Was wir damals nicht wussten, das dies Nilüfers letzter Tag in der Gruppe sein würde. Sie sollte nicht einmal mehr die Gelegenheit bekommen, sich von den anderen SchülerInnen zu verabschieden.

Laurenburg: An dem Morgen, an dem ich in der Sprechstunde der Sozialpädagogin beim Jugendamt vorsprechen wollte, begegnete mir Nilüfer auf dem Weg zur Schule, sie war bereits einige Minuten zu spät. Trotzdem beeilte sie sich nicht, sondern schlich mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern wie ein geprügelter Hund in Richtung Schule. Sie hatte mich nicht gesehen und war daher einigermaßen überrascht als ich sie ansprach. Ich fragte sie, wo sie denn in den letzten Tagen gewesen sei. Sie begann verzweifelt zu weinen und teilte mir mit, nicht mehr kommen zu dürfen. Sie drückte mich noch einmal und rannte dann weinend zur Schule.

Die Sachbearbeiterin beim Jugendamt war angeblich gerade auf dem Weg zu einem Außentermin und räumte mir („Sie haben zwei Minuten!“) trotz regulärer Sprechzeit mit eisigem Blick nur einen ganz kurzen Wortwechsel ein. Ins Zimmer bat sie mich nicht. Nun ja, dann eben auf der Treppe. „Wie geht es Nilüfer, wissen Sie etwas Neues?“ „Dem Kind geht es gut Ich habe mit den Eltern gesprochen. Dabei musste ich ihnen sagen, wer den ungeheuerlichen Verdacht in die Welt gebracht hat. Sie brauchen sich also nicht zu wundern, wenn sich die Familie zurückzieht und den Kontakt abbricht. Die Mutter war entsetzt und tief enttäuscht, wie Sie, die Sie ja in der Familie aufgenommen worden seien wie eine liebe Verwandte, so etwas überhaupt denken können! Auch die Klassenlehrerin hält ihre Reaktion auch für total überzogen.“ – „Wissen Sie, dass Nilüfer noch nicht auf einer weiterführenden Schule angemeldet ist?“, wollte ich wissen. Diese Frage überhörte die Sachbearbeiterin. Ich fragte: „Ist das Mädchen schwanger?“ – „Sie war beim Arzt. Das ist alles, was ich Ihnen dazu sage. Halten Sie sich jetzt raus.“ Damit war das Gespräch für die Beamtin beendet. Die Diplom-Sozialpädagogin machte auf dem Absatz kehrt, ließ mich grußlos auf dem Treppenabsatz stehen und verschwand nach draußen. Ich war wie vom Donner gerührt. So viel Kaltschnäuzigkeit ist mir im Leben selten begegnet.

Eppelmann: Die Arbeitswelt deutscher Jugendämter bezeichnet derartige Hochnäsigkeit und extreme Distanziertheit den Klienten gegenüber leider als „Professionalität“. Entlastend muss allerdings hinzugefügt werden, dass in Deutschland ein äußerst restriktiv auszulegender Schutz von Sozialdaten (SGB I § 35), der unter Umständen sogar die Ermittlungsarbeit der Polizei behindert[3], eine niederschwellige und bürgernahe Vorgehensweise, die sehr wohl Datenschutz da berücksichtigt, wo öffentliche Interessen nicht verletzt werden, unmöglich macht. Gerade wegen dieser Gesetzesnorm hätte die Sachbearbeiterin unseren Namen weder preisgeben müssen noch dürfen.

Auch hätte sie, schon um sich juristisch abzusichern, Nilüfer eigentlich zu einem Amtsarzt einbestellen sollen. Stattdessen durfte die Familie einen Doktor ihrer Wahl konsultieren. Möglicherweise war sie dem schauspielerischen Talent, der Vernebelungstaktik und dem patriarchalischem Bollwerk traditioneller türkischer Wagenburgen, die alles daran setzen, nichts aus der familiären Innenwelt der muslimischen ParaIlelgesellschaft nach außen dringen zu lassen, nicht gewachsen. Für diese Clans gelten universelle Menschenrechte nur vor der Haustüre.

Laurenburg: Sicherlich wurden zunächst laut zeternd wüste Drohungen ausgestoßen, um dann nicht mehr zu leugnende, offensichtliche Missstände, viel Süßholz raspelnd, beschwichtigend zu verharmlosen. Funktionieren Vernebelung und Taqiyya nicht wie gewünscht, greift man zu einer neuen List. Jetzt wird der beanstandete Sachverhalt mit der kulturellen oder religiösen Besonderheit begründet. Ist das Gegenüber dann immer noch nicht überzeugt, die Unschuld vom Lande vor sich zu haben, die über jeden Zweifel erhaben ist und die Rechtschaffenheit in Person, dann knickt jeder gutmenschelnde Kritiker und Zweifler spätestens dann ein, wenn man behauptet, armes Unschuldslamm einer fürchterlichen islamophoben Hetze und diskriminierenden Verleumdungskampagne geworden zu sein.

Wir organisierten einen Termin in der Beratungsstelle für ein Supervisionsgespräch mit allen in den Fall Involvierten. Der Pastor kam in der Tat zur Beratungsstelle. Die Stimmung war eisig Er war allein gekommen, anders als von uns gewünscht. Die von uns angeregte Einladung der Klassenlehrerin, der Mitarbeiterin vom Jugendamt und eines Mitglieds des Presbyteriums hatte er mit den Worten „Das halte ich für keine gute Idee“ einfach verhindert.

Auffällig war, dass der Geistliche während des gesamten Gesprächs nur als Briefträger von Botschaften der Schule und des Jugendamtes fungierte, deren persönliche Anwesenheit er aber erfolgreich verhindert hat. Wieder wies der Priester auf das schwere Unrecht hin, dass der Familie Yilmaz durch die Anschuldigungen widerfahren sei. Die Nachfrage der Psychologin, was der Familie und dem Mädchen außer der Unannehmlichkeit der ärztlichen Untersuchung durch die Einschaltung der Behörden denn Schlimmes passiert sei, konnte der Geistliche nicht beantworten. Meinem Kollegen und mir prophezeite die Psychologin nach dem Gespräch eine gegen uns gerichtete Stimmungsmache aller betroffenen Institutionen im Stadtviertel. Sie sollte Recht behalten.

Eppelmann: Wir sind uns aufgrund von Berichten Dritter, die das Kind jahrelang gekannt hatten, ziemlich sicher, dass Nilüfer nach einem langen Sommerurlaub in der Türkei jetzt wieder in Deutschland lebt.

Sonntag, 23. März 2008

Männerblicke, Frauenrollen

نِقاب

Niqab-Forum aktuell:

Das Gesicht wahren heißt Würde bewahren.

Von Ümmühan Karagözlü

Ümmühan Karagözlü antwortet am 22. März 2008 auf Noras Kommentar vom 17. Januar 2008 zum Thema Niqab (islamischer Gesichtsschleier)

Inhalt

01. Einfluss der Modebranche auf Frauenbilder und Männerrollen

02. Patriarchalische Machtstrukturen

03. Männerbilder, Erziehungsstile und Lebenskonzepte der kulturellen Moderne und des traditionellen Islams im Vergleich

04. Koran und Sunna

05. Sunna der Jungenerziehung

06. Sunna der Mädchenerziehung

07. Männerwelt und Frauensphäre

08. Auswirkungen der Geschlechterrollen

09. Die Bedeutung des Gesichtes in der sozialen Interaktion

10. Das Prinzip Niqab

11. Redensarten mit Körperbezug

12. Für Frauen, die sich mit dem Gedanken tragen zu konvertieren oder einen Moslem zu heiraten

13. Rechtliches

14. Kollektivismus gegen Individualismus

Liebe Nora,

01. Einfluss der Modebranche auf Frauenbilder und Männerrollen

hier die angekündigte Antwort auf deinen ausführlichen Kommentar auf der Seite von Jacques Auvergne. Es freut mich, dass es offensichtlich einige wichtige Gesichtspunkte gibt, in denen wir wenigstens teilweise übereinstimmen. So entnehme ich deiner sicherlich rhetorisch gemeinten Frage nach den Machern der Mode, dass auch du den männlichen Einfluss in der Modebranche für unverhältnismäßig groß hältst. Wenn ich überlege, welche ModeschöpferInnen ich namentlich kenne, fallen auch mir tatsächlich wesentlich mehr männliche Namen ein, die dem elitären Kreis der Top-DesignerInnen zuzurechnen sind. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass mindestens ebenso viele Frauen ihr fachliches Können in diesem Berufsfeld unter Beweis stellen wie Männer, wenn auch in anderen Funktionen.

Die größte Anzahl werden die Berufsanfängerinnen stellen. Dürfen zukünftige Designerinnen ihre Ausbildung bei einem berühmten Modehaus beginnen, bringen sie sicherlich wie ihre Kollegen außergewöhnliches Talent, großes Interesse am Beruf und handwerkliche Geschicklichkeit mit, doch fehlen noch theoretisches Wissen, Übung, der eine oder andere handwerkliche Kniff oder Trick, sozusagen der letzte Schliff, um sowohl das manuelle Können der meisterlichen internationalen Konkurrenz zu erlangen als auch einen Modestil zu entwickeln, an dem KundInnen die ’Handschrift’ der DesignerIn wiedererkennen. Die Neulinge in der Modewelt werden sich daher glücklich schätzen, von der beruflichen Erfahrung und dem fachlichen Können ihrer LehrmeisterInnen zu profitieren.

Nachdem mit Beendigung der Lehre handwerkliche Fertigkeiten vervollkommnet und theoretische Fachkenntnisse gefestigt und ergänzt wurden, gehen die beiden Geschlechter jedoch sehr unterschiedliche berufliche Wege. Während die meisten männlichen Mitstreiter sich tatsächlich ihren Wunschtraum erfüllen und sich mit ihrem eigenen Modelabel selbständig machen, verlässt kaum eine Designerin, die nicht das Berufsfeld nach der Ausbildung wechseln möchte, das Unternehmen, bei dem sie ihren Beruf von der Pike auf gelernt hat. Vielmehr stellen die Berufsanfängerinnen Kreativität, manuelles Können, Sachverstand und branchenspezifische Kenntnisse weiterhin in den Dienst des bekannten Modehauses, das nicht selten wiederum unter männlicher Leitung steht.

Diese Designerinnen wirken mit ihren Entwürfen als Trendsetterinnen auf den Modestil der künftigen Saison ein und beeinflussen damit, was en Vogue Ist. Anstatt jedoch wie ihre Kollegen mit der Gründung ihres eigenen Unternehmens die attraktive Chance wahrzunehmen, sowohl mit Know-How, Phantasie und Kreativität ihren ganz persönlichen Modestil zu verwirklichen als auch sich unternehmerischen Herausforderungen zu stellen und Führungsaufgaben zu übernehmen, verzichten sie auf möglichen eigenen Ruhm und eventuelle Spitzenverdienste und tragen statt dessen dazu bei, mit Spürsinn für den Zeitgeist und den Geschmack der modebewussten KundInnen die Spitzenposition der Modefirma für die sie arbeiten zu erhalten und auszubauen. Trotz ihrer herausragenden Leistungen verdienen sie dabei nur einen Bruchteil des Geldes, das die international anerkannten ModeschöpferInnen für die medienwirksame Präsentation der Ideen ihrer MitarbeiterInnen erhalten. Dennoch ziehen die Berufseinsteigerinnen es anscheinend vor, im besser gesicherten Angestelltenverhältnis ihrem kreativen Beruf nachzugehen.

Wie die prozentuale Verteilung der Geschlechter in der Führungselite der beiden großen Teilbereiche der Branche Haute Couture und Prête-à-porter deutlich spiegelt[1], ist der Weg in die Selbstständigkeit für avantgardistische Designerinnen in der Modebranche offensichtlich wesentlich steiniger als für ihre Mitbewerber. Mehr als zwei Drittel der international anerkannten ModeschöpferInnen sind Männer, in der Herrenmode fällt das Zahlenverhältnis für die Frauen noch ungünstiger aus. Wie Recherchen ergaben, ist ein Grund für diese erklärungsbedürftige Zurückhaltung und Bescheidenheit des weiblichen Geschlechtes das hohe unternehmerische Risiko, das mit einer Selbstständigkeit auf einem dem sprunghaft wechselnden Zeitgeschmack so sehr unterworfenen und deshalb schwer einzuschätzenden, von Preisverfall und Firmenkonkursen immer wieder erschütterten Markt verbunden ist. Da diese komplexen brancheninternen Bedingungen jedoch sicherlich für beide Geschlechter gleichermaßen gelten, muss es eine andere genderspezifische Ursache geben, die Berufseinsteigerinnen davon abhält, ihr eigenes Unternehmen zu gründen.

Nach zeitaufwändiger, intensiver Suche im Internet ergab sich, dass ein wesentlicher Grund für die männliche Dominanz im exklusiven Kreis der SpitzenverdienerInnen der Modebranche die zumindest Jahrzehnte lang allgemein übliche Praxis gewesen ist, mit der Banken bei der Vergabe von Existenzgründungskrediten grundsätzlich das so genannte ‘starke Geschlecht‘ bevorzugt haben. Die für die Leitung eines erfolgreichen Unternehmens unverzichtbaren Eigenschaften und Kompetenzen wie Fachkenntnis, Branchenkenntnis, Organisationstalent, Nervenstärke, Autorität, Zuverlässigkeit und Durchsetzungsvermögen sowie sehr gute Kenntnisse im Bereich Management und Marketing wurden von den zuständigen (meist männlichen) EntscheidungsträgerInnen bis in die jüngste Vergangenheit hinein für typisch männliche Eigenschaften gehalten, die Frauen nicht zugetraut wurden. Ein weiteres genauso unsinniges wie altbekanntes Argument, Antragstellerinnen zu benachteiligen und von einer Kreditzusage abzusehen, war die mögliche Mutterschaft und anschließend oft übliche Familienphase junger Frauen.

Wie alle Jungunternehmerinnen waren somit die angehenden Modedesignerinnen schon beim Start ihrer beruflichen Laufbahn stark benachteiligt. Diese offensichtliche, rechtswidrige Diskriminierung von weiblichen Berufsanfängerinnen und Existenzgründerinnen wurde von Frauenverbänden und Gleichstellungsbeauftragten aufgegriffen und thematisiert[2]. Auf deren Protest hin wurden Frauenförderprogramme eingerichtet, Frauenquoten eingeführt, Vergaberichtlinien angepasst, die Babypause für den Vater bzw. die Aufteilung der Elternzeit auf beide Partner ermöglicht und beworben sowie das Betreuungsangebot für Kleinkinder unter drei Jahren ausgebaut. Maßnahmen die, wenn sie konsequent umgesetzt werden, dazu beitragen werden, die Startbedingungen für couragierte Unternehmerinnen nicht nur in der Modebranche in naher Zukunft anzugleichen.

Vielleicht werden Frauen nun die berufliche Selbstständigkeit als große Chance sehen können, Führungsaufgaben auf lukrativer Leitungsebene zu übernehmen, dabei zu einem besonders hohen Prozentsatz auf ihre individuellen, kreativen Fähigkeiten und persönlichen Erkenntnisse zurückgreifen und vertrauen zu dürfen und ihre Kompetenz unter Beweis stellen zu können, den ökonomischen Herausforderungen des Marktes Paroli zu bieten können. Alles in Allem ein für Frauen und Männer gleichermaßen anspruchsvoller, interessanter und abwechslungsreicher Aufgabenbereich, der für Designerinnen genauso niederschwellig zugängig sein sollte wie für ihre Kollegen.

Um dieses lohnenswerte Ziel der Geschlechtergerechtigkeit nicht nur in allen Berufszweigen sondern auch im Alltag umzusetzen, bieten manche Hochschulen in den Fachbereichen Gesellschafts- und Kulturwissenschaften sowie Kunst, Gestaltung und Design gestufte Studiengänge an, die Ergebnisse der Genderforschung integrieren[3]. Ebenfalls lesenswert sind die Bücher der Gleichheitsfeministin Alice Schwarzer.

Wenn Mode wegen der zumindest bisher ungleich verteilten Startchancen am Markt zu fast 70 % von Designern entworfen wurde, kann es eigentlich doch niemanden wirklich erstaunen, dass die Damen- und Herrenmode wesentlich durch den männlichen Blick auf beide Geschlechter geprägt wird. Der hohe Anteil der für renommierte Modehäuser arbeitenden Top-Designerinnen, Männer wird man in diesen abhängigen Arbeitsverhältnissen ohne hohe Verdienstmöglichkeiten eher nicht finden, konnte an dieser einseitigen Ausrichtung nichts ändern, da die Mitarbeiterinnen um ihren Arbeitsplatz zu sichern loyal die Vorgaben der meist wiederum männlichen Geschäftsführung bezüglich Stilrichtung und Linienführung in ihren Entwürfen einhalten müssen. Am ehesten wäre eine aus ausschließlich weiblicher Perspektive entworfene Mode noch von Freiberuflerinnen umzusetzen, doch ist die kleine Gruppe der Jungunternehmerinnen wegen der eindeutig männlich dominierten Konkurrenz einem so hohen Anpassungsdruck ausgesetzt, dass kaum die Möglichkeit besteht, individuelle, weibliche Wege zu gehen.

Gerade die Freiberuflerinnen können auf die oftmals tatsächlich sexistisch-frauenfeindlichen Looks, gemeint ist im wesentlichen in der Öffentlichkeit getragene Kleidung, die im Gegensatz zur Männermode, die den Körper weitgehend bedeckt, an Dékolleté, Bauch, Rücken und Beinen der Trägerin viel nackte Haut zeigt, nicht verzichten, weil diese freizügige Kleidung anscheinend auch den Geschmack der KundInnen trifft, genauso gern getragen wie auch betrachtet und gekauft wird sowie den benötigten Umsatz sichert. Davon müssen die Designerinnen jedenfalls ausgehen, weil nur wenige KonsumentInnen ihren Unmut äußern oder sich mit ihrer Forderung nach weniger sexualisierter Frauenkleidung an die Öffentlichkeit wenden, um so einen Veränderungsdruck auf die verantwortlichen ModemacherInnen auszuüben. Im Gegenteil, die Verkaufsstatistiken beweisen, dass sich sogar bauchfreie, freizügige Alltagskleidung für kleine Mädchen gut verkauft.

Sicher lässt sich auch mit Herrenkleidung in der Modebranche Geld verdienen, denn ein modisches Outfit gewinnt auch für Männer zumindest im Berufsleben an Bedeutung (Dienstleistungsgewerbe), die Kleidung von ’Modemuffeln’ ist auch irgendwann verschlissen oder die Figur hat sich geändert und ein großer Teil der bisherigen Garderobe passt nicht mehr. Weder eine nennenswerte Anzahl der ’Herren der Schöpfung’ noch ihre Partnerinnen werden sich an die Nähmaschine setzen und Hemden und Hosen selber nähen. Trotzdem scheint dieser Teilbereich für freiberufliche Designerinnen tabu zu sein, da die Herrenmode noch fester in ’männlicher Hand’ ist als der Teilbereich der modischen Kleidung für Frauen. Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Wenn der Männerblick auf die Frau richtungweisend für den Kleidungsstil der modebewussten KäuferIn ist, warum soll dann die weibliche Sicht auf den Mann nicht prägend für den Stil und die Linienführung der Männermode sein? Frauen sind für den Chick von Männern doch nicht blind und wie Umfragen von namhaften Marketingunternehmen feststellten, wird Herrenmode auch hauptsächlich von Frauen ausgesucht und gekauft[4].

Ganz offensichtlich liegt der Grund für die geringe Teilhabe nicht in der ’weiblichen Fehlsichtigkeit’ für Männer begründet, sondern darin, dass beide Geschlechter die Deutungshoheit darüber, wie erfolgreiche, attraktive Menschen in der Freizeit und im Berufsleben auszusehen haben den ‘Herren der Schöpfung’ überlassen. Das gilt für den beruflichen und privaten Alltag der KonsumentInnen im Allgemeinen, aber gerade auch für Berufsfelder, die sich mit der äußeren Erscheinung meinungsbildend befassen (Werbung, Film-, Kosmetik- und Modebranche). Die männliche Sichtweise wird jedoch solange in allen den genannten Bereichen dominieren, wie Frauen nicht hinsehen dürfen, wenn es sich um das andere Geschlecht handelt und nur „mit Männeraugen“ sehen (dürfen), wenn es um das eigene Geschlecht geht.

Wegen dieses anerzogenen Wegsehens bei der äußerlichen Erscheinung des anderen Geschlechts würden Frauen womöglich nicht einmal bemerken, wenn ihr Verehrer sich für sie besonders ’in Schale schmeißt’. Männer wirken eben nicht durch ihre Kleidung auf Frauen[5]. Das Outfit des Begleiters gewinnt erst dann an Bedeutung, wenn das Paar gemeinsam aus dem Haus geht. Da wird das männliche Outfit plötzlich schlagartig wichtig – jedoch nur, damit der ’Marktwert’ der weiblichen Begleitung steigt. Schließlich hat es eine tolle Frau ja nicht nötig, sich mit irgendeinem ’dahergelaufenen Modemuffel’ ’abzugeben’.

02. Patriarchalische Machtstrukturen

Ganz anders beim so genannten schwachen Geschlecht. Da ist körperbetonte Mode, die im Sommer oft viel nackte Haut zeigt und durch raffiniert in Szene gesetzte körperliche Reize die attraktive Figur der Trägerin unterstreicht und so die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zieht, in der Freizeit, bei gesellschaftlichen Anlässen, wie auch im Beruf ein absolutes Muss, um nicht als Außenseiterin ausgeschlossen und gemieden zu werden. Kleidung, auch Dienstkleidung wird von vielen als Mittel zur Kommunikation gesehen. So bestimmt selbst die Polizeiuniform, der Priesterornat und der Sportdress Gesprächsstil und -inhalt. Sicherlich dient die Garderobe zur Selbstdarstellung, sie verkörpert soziale Rollen und beeinflusst unser Fremdbild (Kleider machen Leute). Damenkleidung wird von DesignerInnen und KonsumentInnen jedoch auch als ein Mittel gesehen, anziehend auf Männer zu wirken und Konkurrentinnen auszustechen. Während Verkaufsargumente für Herrenmode in jeder Jahreszeit vor allem ihre Bequemlichkeit, Bewegungsfreiheit und Strapazierfähigkeit sowie der Preis sind. Männermode versinnbildlicht mann-männlichen Konsens, Frauenkleidung weib-weibliches Konkurrieren.

Das patriarchale Prinzip des weiblichen „geflissentlichen Übersehens“ jeder, eben auch der unvorteilhaften Körperlichkeit beim Mann, des permanenten Kontrollierens der eigenen äußerlichen Erscheinung, des Überwachens mit Argusaugen und des Ausbootens aller Mitfrauen ist das mehr oder weniger bewusste Betriebsgeheimnis sämtlicher nicht matristischer Gesellschaften. Jacques Auvergne meinte einmal sehr treffend: „Das Patriarchat bauen die Frauen, die Männer sind auch dazu zu faul.“

Männer dürfen in der Öffentlichkeit attraktiven Frauen hinterher sehen und für das Umfeld deutlich vernehmbar über schöne Frauen mehr oder weniger wertschätzend fachsimpeln, wahrscheinlich ohne das sich irgendjemand, egal ob männlich oder weiblich, deshalb gestört fühlt oder daran Kritik übt. Das eigene Geschlecht lassen sie in der Regel mit Kritik in Ruhe, da sie meist Möglichkeiten finden, ihr „Jagdrevier“ friedlich untereinander aufzuteilen.

Typisch für zur Norm erhobene, traditionalisierte Rollenerwartung von männlichem Verhalten eben, werden „Kenner“ sagen. Wenn etwa zwei Freunden eine hübsche Frau begegnet, müssen sie das kommentieren, sie sind sonst keine ’echten Kerle’. Es wird jedoch zumindest höchstes Erstaunen, wenn nicht gar Missfallen hervorrufen, sollte es eine Frau wagen, in Hörweite anderer Personen eine Freundin auf die gute oder weniger ansprechende Figur eines Passanten aufmerksam zu machen. Mit Sicherheit wird ihr mit deutlichen Worten oder wenigstens nonverbal von BeobachterInnen signalisiert werden, dass dies in der Öffentlichkeit nicht passend sei und auch im privaten Bereich eher nicht üblich.

Die von Männern wie Frauen bisher weitgehend geduldete, wenn nicht sogar von weiblicher Seite selbstschädigend kooperativ unterstützte Amtsanmaßung der alleinigen Deutungshoheit über normgerechtes Rollenverhalten und Idealbilder von Frausein und Mannsein im öffentlichen wie privaten Raum führt zu einer Manipulation der öffentlichen Meinung. Folge ist ein männlich geprägter Alltag, der viele Handlungsspielräume verringert. Die von Männern gestützte frau-frauliche Konkurrenzorientierung und die oft übliche Stutenbissigkeit, mit der sich viele Frauen durch Geschlechtsgenossinnen unter Druck setzen lassen aber auch selber sich und anderen Mitfrauen das Leben durch ständigen Kleinkrieg erschweren[6], behindert außerdem die konstruktive Zusammenarbeit von weiblichen Teams und solidarisches Verhalten unter Frauen. Auf diese Weise entsteht ein hoher Konformitätsdruck unter den Frauen, der beispielsweise einen individuellen Kleidungsstil sehr einschränkt, zur ungesunden Ernährung verleitet und die Lebensqualität von wenigstens 50% der Bevölkerung in Beruf und Freizeit beeinträchtigt, denn auch einige Männer würden gerne anders leben.

Ein Musterbeispiel für krankmachenden Anpassungsdruck ist der augenblickliche Trend zum knabenhaften, vorpubertär-androgynen Frauenkörper, der Models in die Alkohol- und Drogensucht, Teenager in die Magersucht treibt. Modeschöpferinnen, Kolleginnen und Klassenklassenkameradinnen sahen lange zu und unternahmen nichts. Endlich wurde die lebensbedrohende Gefährlichkeit dieses Schlankheitswahns erkannt, es regt sich Widerstand. Bei der Madrider Modewoche, von Pasarela Cibeles im September 2006 wurde etwa durch einen Erlass der Bezirksregierung von Madrid Models mit einem BMI unter 18 der Auftritt untersagt[7], es gibt die ersten Selbsthilfegruppen für Essgestörte, in den Schulen wird über die verschiedenen Formen der Magersucht informiert.

Immer noch gilt das Motto, ’Wer sich nicht anpasst, wird ausgeschlossen’, und AußenseiterIn will keineR sein. Sogar bei Bewerbungsgesprächen wird von der persönlichen Erscheinung auf die berufliche Kompetenz geschlossen. Bewerberinnen, die sich nicht vorteilhaft und modisch kleiden und / oder älter als das Gros der MitbewerberInnen wirken oder dem aktuellen Frauenbild aus anderen Gründen nicht entsprechen, traut man beispielsweise die für eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit notwendige Kompetenz und Flexibilität nicht zu. Für Frauen mit weiblicher Figur (Kleidergröße 42, die heute oft der früheren Damengröße 40 zu entsprechen scheint) ist die Auswahl an modischen Textilien in Boutiquen, Mode- und Versandhäusern stark eingeschränkt. Wenn die Kundinnen nach langer Suche endlich ein passendes Kleidungsstück gefunden haben, bezahlen sie für ihren nonkonformen, selbstbestimmten Lebensstil und ihre gesunde Ernährungsweise einen überteuerten Preis, eine Art ’Strafzoll’, da Kleidungsutensilien dieser Größe in geringerer Stückzahl produziert werden und angeblich kostenintensiver in der Herstellung sind. Wer sich im Straßenbild einmal umsieht, wird jedoch feststellen, dass Modehäuser dringend umdenken sollten, wenn sie Mode für ihre Kundinnen entwerfen wollen und nicht gegen sie.

Entsprechend groß ist der soziale und ökonomische Druck auf wirklich übergewichtige Frauen (BMI>30), besonders wenn sie kleiner als 1,60 m sind. Sie sind gut beraten, ihre Garderobe selbst zu schneidern, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, frustrierende Odysseen durch Fußgängerzonen zurückzulegen, um dann mit einem total überteuerten Kleidungsutensil nach Hause zu kommen, dass eigentlich nicht gefällt, dass aber wenigstens einigermaßen passt. Online-Shopping verbessert die Erfolgschancen nicht und erspart noch nicht einmal die Wege, da die Kleidungsstücke nicht anprobiert werden konnten und öfter mehrmals hin- und her geschickt werden müssen, weil sie nicht passen.

An diesen Beispielen wird deutlich, dass es offensichtlich auch in demokratischen Gesellschaften der kulturellen Moderne Überreste von traditionellem Rollenverständnis und patriarchalischem Verhalten gibt, die sich im Bereich der Selbstdarstellung (impression management, die hohe Kunst des Eindruckschindens) besonders leicht nachweisen lassen. Sollen tatsächlich vorhandene Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und sogar erweitert werden, was zu einer Verbesserung der Lebensqualität und zu partnerschaftlichem, friedlichem Miteinander beider Geschlechter aber auch der Frauen untereinander führen würde,. dann kann dieses geschlechtergerechte Idealbild demokratischer Gesellschaften nur erreicht werden, wenn Frauen wie auch Männer sich emanzipieren, indem sie umdenken und traditionelle Rollenklischees, veraltete Verhaltensmuster, überholte Einstellungen und festgefahrene Denkprozesse aufgeben.

Gerade die Branchen, die sich als Trendsetter mit dem äußeren Erscheinungsbild der Geschlechter beschäftigen (Werbung, Film-, Kosmetik- und Modebranche) tragen wegen ihrer prägenden Einflussnahme auf den Zeitgeist und das idealtypische Aussehen von Frauen und Männern tragen eine hohe Verantwortung, da ihre Entwürfe von Männlichkeit und Weiblichkeit den privaten wie auch beruflichen Alltag beider Geschlechter mitgestalten. Sie haben es in der Hand eine Neubewertung und Umorientierung alter patriarchaler Denkmuster einzuleiten und zu bewerben. Tatsächlich riskieren einige Firmen bereits neue Wege (Dove)[8]. Grundlage und Rüstzeug für den einzuleitenden Umdenkungsprozess und die neuen Bewertungskriterien liefern geschlechtssensible Mädchen- bzw. Jungenarbeit, gemischt- und getrenntgeschlechtliche Diskussionsforen, intergenerative, gleichheitsfeministische[9] Bildungbausteine, Selbsterfahrungsseminare, gemischt- und getrenntgeschlechtliche Qualitätszirkel in den Berufsfachausschüssen und Bildungseinrichtungen, Genderstudies, sowie Bücher der Gleichheitsfeministin Alice Schwarzer.

Wie du siehst, liebe Nora, ist auch die BRD noch ein weites Stück von dieser Idealvorstellung eines gendergerechten demokratischen Rechtsstaates entfernt. Doch frei nach dem Motto: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, arbeiten die BefürworterInnen der kulturellen Moderne aktiv daran, eine humane Umwelt zu gestalten, die, auf dem Fundament der FdGO basierend, individuelle Lebenskonzepte zulässt und schützt, so lange diese nicht die Freiräume anderer Mitmenschen einschränken. Auch einige der Kommentatorinnen zum ’Thema: Burka und Tschador verbieten’ auf dem Blog Sägefisch berufen sich auf Grundrechte wie Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit und fordern diese ein, würden jedoch vorziehen, diese Rechtsansprüche à la carte (Arzu Toker) zu nutzen. Nur haben Grundrechte universelle Gültigkeit, sie gelten für jede und jeden, unabhängig von Geschlecht und Ansehen der Person. Demokratie und BürgerInnenrechte wie an der Käsetheke, nach dem Motto „Wie viel Demokratie darf’s denn bitte sein?“ gibt es nicht (Jacques Auvergne).

Hier scheiden sich die Geister von RepräsentantInnen eines aufgeklärten, moderaten Islams[10] von fundamentalistischen MuslimInnen, die ihr Welt- und Menschenbild aus den, wie sie glauben, nicht interpretierbaren islamischen Quellen Koran, Sunna, (Hadithen) und Scharia entlehnen oder sich gar wie die SalafistInnen an Werten der kulturellen Vormoderne orientieren. Wenn die folgenden Zeilen für dich, Nora, wie auch für einige andere Schwestern eine Zumutung sein mögen, es wäre schade, wenn ihr hier nicht weiter lesen würdet.

03. Menschenbilder, Erziehungsstile und Lebenskonzepte der kulturellen Moderne und des traditionellen Islams im Vergleich

Wir DemokratInnen, gleich welcher Religion oder Weltanschauung, bejahen die Grundannahmen des Humanismus und der Aufklärung, die vor allem davon ausgehen, dass Frauen wie Männer gleichberechtigte, gleichgestellte Lebewesen sind. Beide haben im Grunde einen guten Charakter. Kognitive Fähigkeiten sind gleich gut ausgeprägt und nicht von der Geschlechtszugehörigkeit abhängig. Anders als in der kulturellen Vormoderne, wo beispielsweise der Sohn Generation für Generation der gleichen Tätigkeit nachging wie der Vater und Frauen an die Rolle der Hausfrau und Mutter gebunden waren, haben wir BürgerInnen heute Dank unseres freien Willens die Möglichkeit uns zwischen mehreren Alternativen zu entscheiden. Wir streben danach, unser Leben selbst zu bestimmen und zu gestalten. Hindernisse die sich dabei in den Weg stellen, sehen wir als anregende Herausforderung, um als handelndes Subjekt, allein oder im Team, Strategien zu entwickeln, diese Barrieren aktiv abzubauen.

Schritt für Schritt, die individuelle Entwicklungsstufe berücksichtigend, leiten wir humanistisch orientierten, freiheitsliebenden BürgerInnen Kinder und Jugendliche dazu an, selbstständig zu denken, sich ihre eigene Meinung zu bilden, neugierig Fragen zu stellen, Gehörtes zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen sowie Wissenstransfer von bereits Erlerntem durchzuführen, um als kleine ’ForscherInnen’ und ’ErfinderInnen’ ihre Umwelt zu entdecken und zu erobern. Wir ermutigen schon Mädchen und Jungen im Grundschulalter dazu, ohne Angst zu sagen, was sie denken, wir laden Jugendliche ein, sich bei Diskussionen interessanter Themen zu beteiligen, zunächst nur zuzuhören, dann mutig ihren Standpunkt darzustellen und zu vertreten. Sie lernen, mit Kritik an der eigenen Person konstruktiv umzugehen, aber auch bei noch so hitzigen Diskussionen Sachargumente von Persönlichem zu trennen.

Altersgerecht vermitteln wir Eltern und an der Erziehung beteiligte (ErzieherInnen, LehrerInnen, SozialrbeiterInnen) beiden Geschlechtern den Umgang mit Werkzeugen und Haushaltsgeräten, um Mädchen wie auch Jungen in die Lage zu versetzen, erste Hausarbeiten verantwortungsvoll zu übernehmen und kleinere Reparaturen durchzuführen. So gibt man den männlichen Helfern durchaus ein Spültuch in die Hand während man jungen Radfahrerinnen das sachgerechte Flicken eines Fahrradschlauches und den geschickten Umgang mit Hammer und Nagel zutraut. Selbstverständlich dürfen der große Bruder und der Vater die kleine Schwester bzw. Tochter auch mal wickeln und füttern und manchmal grillt auch die Tochter mit ihrer Mutter die Steaks beim Sommerfest. Kulturtechniken wie das Lesen, Schreiben, Sprachkompetenz, der sichere, Missbrauch ausschließende, geübte Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln wie dem Internet, Email, und Diskussionsforen befähigen lernwillige, wissbegierige SchülerInnen und Erwachsene beider Geschlechter sich mitzuteilen und sich zu informieren.

Beim Spielen mit Bauklötzen lernen schon die Kleinkinder, kreativ ihre Umwelt zu gestalten, aktiv eine „Welt“ nach ihren Vorstellungen zu bauen. Sollte sich für sie herausstellen, dass einige Bauteile den Anforderungen der ’KonstrukteurInnen’ nicht entsprechen, zerstören sie diese, um sie verbessert wieder aufzubauen. So erkennen schon Kleinkinder physikalischen Grundregeln wie Statik und Hebelgesetze und lernen spielend sie zu nutzen. Auch manche Mädchen haben an dieser Beschäftigung viel Freude. Buntstifte beflügeln die Phantasie, bringen die Welt nahe. Beim Malen kopieren Kinder zunächst die Natur, um später bildnerisch auszuprobieren, wie man sie ästhetisch und visionär verändern kann. Die gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend beispielsweise beim Konstruieren mit Technikbaukästen umgesetzt. Oft genug habe ich beobachten können, dass ’Baumeisterinnen’ hier mit Phantasie und Können genauso zu anschaulichen Ergebnissen kommen wie ihre Freunde. Das Spielen mit Puppen ermöglicht Rollen und Verhaltensmuster auszuprobieren. Besonders spannend, authentisch und realitätsbezogen wird dieses Austesten, wenn Jungen mitspielen.

In der Schule lernen Schulkinder, dass wissenschaftliche Thesen so lange Gültigkeit haben, bis sie durch neue Erkenntnisse erweitert oder sogar falsifiziert werden. Anderenfalls würden wir heute noch an den ’physiologischen Schwachsinn des Weibes’ glauben. Die Bibel lernen SchülerInnen im aufgeklärten Religionsunterricht als eines von vielen der durch Menschenhand verfassten Regelwerke kennen, nach dem nicht nur ChristInnen sich orientieren können und dass in seinem geschichtlichen Zusammenhang gesehen und erklärt werden kann. Das kritische Hinterfragen religiöser Texte und das Diskutieren über Glaubeninhalte zeugt von lebhaftem Interesse und Beiträge von Erwachsenen sind durchaus erwünscht. Andersgläubige und AtheistInnen werden eingeladen, sich bei Bibelabenden und Vorträgen zu beteiligen, wer religiöse Inhalte oder Würdenträger in einer Satire persifliert oder karikiert, muss sich weder vor Lynchjustiz noch vor strafrechtlichen Konsequenzen fürchten. Da laizitäre Gesellschaften Aufgaben- und Einflussbereiche des Staates und der Kirche trennen, muss niemand als BürgermeisterIn zurücktreten, weil sie oder er sich kritisch zum Inhalt der Sonntagspredigt geäußert hat oder als KatholikIn sonntags nicht zur Messe geht. Austritt aus einer Kirche oder Übertritt zu einer anderen Weltanschauung ist aus Gründen der Religionsfreiheit ohne persönliche Einschränkungen, berufliche Nachteile oder gar Gefahren für Leib und Leben möglich. Frauen werden in Europa nicht mehr als Hexe verbrannt oder gesteinigt, weil sie angeblich vom Teufel benutzt wurden, um durch ’schwarze Magie’ Menschen, Tiere und Ernte zu vernichten.

All diese zum Experimentieren einladenden Handlungsspielräume, individuellen Gestaltungsoptionen, selbstbestimmten Denk- und Verhaltensmuster, der gleichberechtigte, barrierefreie Zugang zu allen öffentlichen und privaten Bereichen sowie Chancengleichheit in Bildung und Beruf begünstigen eine optimale, den eigenen Fähigkeiten und Begabungen entsprechende Selbstverwirklichung, eine qualitativ hochwertige Lebensführung und Zufriedenheit sowie eine emanzipierte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Wenn diese Idealvorstellungen auch noch nicht erreicht sind, so sind wir reife, demokratische Persönlichkeiten der Überzeugung, als weitgehend freies, eigenständig handelndes und individuell denkendes Subjekt Lösungswege zu entwickeln, die diesen angestrebten Zielvorstellungen zumindest sehr nahe kommen. Wir gestalten unsere Umwelt und wissen zu schätzen, dass wir unsere Lebensbedingungen allein oder im Team zu einem wesentlichen Teil selbst beeinflussen und verändern können. Wir nutzen unsere körperlichen, mentalen und geistigen Kräfte, um als Fachmänner und Spezialistinnen in eigener Sache uns und unseren Kindern schon zu Lebzeiten ein zufrieden stellendes, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

04. Koran und Sunna

Während die Mehrzahl der BundesbürgerInnen ihren Alltag auf dem Fundament des Grundgesetzes und anderen abgeleiteten laizitären Regelwerken sehr individuell und weitgehend selbstbestimmt gestaltet, ist der Tagesablauf für Muslime vor allem jedoch für Musliminnen den strengen religiösen Regeln des Korans und der Scharia unterworfen. Für die meisten AnhängerInnen dieser Weltreligion sind diese Regelwerke von Allah den Menschen gesandt und als Gottes Offenbarung ewig und vollkommen. Textstellen können daher nicht im historischen Zusammenhang gesehen und verstanden werden, sie sind angeblich eindeutig und unveränderbar, sie zu kritisieren ist Gotteslästerung, die nach Scharia-Recht schwer bestraft wird. Besondere Berücksichtigung im muslimischen Alltag finden auch Überlieferungen aus dem Leben des Propheten und seiner Gefährten, im Wesentlichen Sammlungen von Aussagen, Taten, Ratschlägen und Verboten des Gesandten Allahs und seines Umfeldes, die je nach Quellenlage (Isnâd, Kette der Überlieferungen) mit unterschiedlicher Verbindlichkeit Verhaltensweisen verbieten, ablehnen oder empfehlen.

Leben MusliminInnen korangetreu und nach diesen Richtlinien, schließen die strengen Regeln viele Handlungsfreiheiten, die von den Menschen in einer säkularen, demokratisch-humanistischen Gesellschaft jederzeit genutzt werden können insbesondere für Frauen aus. Wer beispielsweise vom Islam zu einer anderen Religion wechseln möchte, ist abtrünniger Apostat und muss um sein Leben fürchten, da Glaubensabfall als todeswürdiges Hadd-Verbrechen gilt. Ebenso wird niemand es wagen, die Freitagspredigt kritisch zu hinterfragen. Der Koran und die Scharia sind für traditionell denkende MuslimInnen über jede menschliche Kritik erhaben, Prediger und Gelehrte sind Autoritäten, die den Willen Allahs in für Jede und Jeden verständliche Worte fassen. Anders als die meisten Mitglieder der Gemeinde, die ihre eher bescheidene Fachkenntnis ausschließlich auf die religiöse Erziehung im Clan und die Koranschule stützen, haben diese Islamgelehrten eine gründliche religiöse Ausbildung durchlaufen und gelten als Experten von hoher Glaubwürdigkeit, die man allein deshalb schon nicht anzuzweifeln wagt, weil man befürchtet, dass die Kritik Allah missfallen und damit das persönliche Seelenheil gefährden könnte.

05. Sunna der Jungenerziehung

Während in weitgehend laizitären, humanistisch-demokratisch geprägten Gesellschaften der berufliche wie auch private Alltag für beide Geschlechter wenigstens im Idealfall qualitativ und quantitativ gleiche Handlungsmöglichkeiten bereithält, ist im Islam Freizügigkeit und Handlungsvielfalt grundsätzlich an die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht gebunden. Jungen werden von Geburt an eindeutig bevorzugt, ihnen werden vor allem in der Kindheit nur selten Grenzen gesetzt. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn sich der Lausbub daneben benommen hat. Meist springt Annääh dann in die Bresche, und bügelt die unangenehmen Folgen für ihren Sohn aus.

Greift der kleine Bruder beispielsweise, nachdem er schon mehrere Stücke Schokolade gegessen hat, schnell in dem Moment nach der letzten Ecke, als seine Schwester auch von der Süßigkeit probieren will, weist Annääh das Mädchen an, großzügig und rücksichtsvoll zu sein, sie sei doch die Ältere und Vernünftigere. Gibt es wegen schlechter Leistungen Probleme in der Schule, mutiert die zurückhaltende, scheue Muslima zur Löwenmutter und greift zur Strategie des Dschihad im Lehrerzimmer[11]. Bei grobem Fehlverhalten ist ihre Phantasie und Diplomatie gefragt, um Entschuldigungsgründe für die groben Lausbubenstreiche und respektlosen Unverschämtheiten zu erfinden und die wütenden Geschädigten zu beschwichtigen.

Vor allem die Mütter und weiblichen Verwandten sind es, die durch ihr rollengerechtes, unterwürfiges Vorleben weiblicher Handlungs- und Reaktionsmuster einerseits und die nach Sunna, Koran und Scharia ausgerichteten ungleichen Erziehungsmethoden für Mädchen und Jungen andererseits diese extreme Genderapartheit und vormodernen Rollenkonzepte zu übermitteln und traditionsgemäß unreflektiert an die nächste Generation weiterzugeben und zu festigen haben. Sollte diese gottergebene, weitgehend auf den Erhalt und die Verewigung religiöser und kultureller Traditionen bedachte Lebensweise nicht durchbrochen werden, werden die erwachsenen Kinder die Lebens- und Alltagskonzepte ihrer Eltern voraussichtlich genauso unkritisch für die neu gegründete Familie übernehmen und ihrerseits an den Nachwuchs weitergeben.

Nie habe ich in streng muslimischen Familien Bausteine, Legosteine, Puppen, Buntstifte oder Märchenbücher gesehen. Die Eltern wollen ihre Kinder vor westlichem Einfluss bewahren, Spielen mit gleichaltrigen ’Ungläubigen’, das Feiern von Kindergeburtstagen, Theaterbesuche, sind daher verbotene Freizeitaktivitäten, Kunst- Schwimm- Sport- und Aufklärungsunterricht ist für viele SchülerInnen wegen ihrer Weltanschauung verpönt. Rechtsgelehrte wie Mohammad Rassoul ermutigen verunsicherte Erziehungsberechtigte, ihre Kinder abzugrenzen und in Parallelgesellschaften aufwachsen zu lassen.

Spätestens mit 10 Jahren werden die Jungen, von den männlichen Angehörigen dem wachsenden Verstand angemessen, Schritt für Schritt an die korangetreue Lebensweise herangeführt. Während die Regeln des heiligen Buches der Muslime und die Empfehlungen der Sunna mit Strenge vermittelt und durchgesetzt werden, Ungehorsam wird durchaus mit körperlicher Züchtigung bestraft, messen die Erziehungsberechtigen der Wertehierarchie der Mehrheitsgesellschaft sowie den Regeln des Zusammenlebens in der kulturellen Moderne offensichtlich wenig Bedeutung zu, einige lehnen diese sogar ab. Nach einer Untersuchung des Innenministeriums der BRD zu Integration und Integrationsbarrieren von Muslimen in Deutschland (18.12.2007)[12] stimmte beispielsweise jeder vierte gläubige Befragte zu, sogar körperliche Gewalt gegen ’Ungläubige’ anzuwenden, wenn es der Umma diene. Grund für diese demokratiefeindlichen Haltungen und islamistischen Denk- und Handlungsmuster seien vor allem ’die einseitige Ausrichtung auf nicht-deutsche, demokratiefeindlich ausgerichtete Medien (Fernsehsender, Videos, Zeitungen) sowie der ebenso einseitige Rückzug in ethnisch‑religiös geschlossene Milieus’, der wie ich meine durch die Erziehungsberechtigen und Miterziehenden gefördert und verstärkt wird[13] indem sie z.B. den Kontakt zu andersgläubigen Nachbarn einschränken, wenn nicht gar verbieten. Auch die Hetze radikaler Prediger und Koranschulen. So wurde ein mit langem, schwarzen Mantel, Hut und Schläfenlocken traditionell gekleideter Russlanddeutscher von einer Gruppe 8-10 jähriger Muslime als „Scheiß Jude“ beschimpft. An ihrer Grundschule haben die Kinder sicherlich nicht gelernt, wie gläubige Juden zu erkennen sind und wie man sie diskriminiert.

Folgen dieses Erziehungsstils des ’Laissez Faire’ bei Jungen sind Frustration und Gewalt sobald die verwöhnten Muttersöhnchen mit Regeln des Schul- oder Gemeinwesens der kulturellen Moderne konflikthaft konfrontiert werden und wegen ihres rücksichtslosen in den Tag Hineinlebens auffällig werden. Männliche Heranwachsende mit muslimischem Migrationshintergrund tragen vor allem wegen der Unvereinbarkeit ihrer lange Zeit ungebremst ausgelebten Allmachtsphantasien und der Verachtung der Lebensweise der ’Ungläubigen’ mit ihren von der Mehrheit akzeptierten Regeln der demokratischen Moderne ein hohes Risiko, in säkularen Gesellschaften straffällig zu werden.

In der ’Zeit des unruhigen Blutes’ dürfen Muslime jedoch heterosexuelle Erfahrungen mit weiblichen Andersgläubigen sammeln ohne eine feste Beziehung oder gar Ehe anzustreben. Pflichtgemäß müssen sie diese Frauen wegen ihres ’unwürdigen, gottlosen Lebensstils und der großzügigen Sexualmoral besonders verachten. Mit einem Mann zu schlafen, ohne mit ihm verheiratet zu sein, ein solches ’Lotterleben’ ist für Frauen nach islamischen Regeln eine Schande, auch in der Familie des jungen Mannes missbilligt man diese freizügige Lebensweise und hält solche Mädchen für Schlampen. Sollte sich der Sohn trotzdem in eine solche zügellose Modernistin verlieben, niemals würden die Eltern sie als Schwiegertochter akzeptieren und alles daran setzen, eine solche Ehe zu verhindern. Wenn männliche muslimische Heranwachsende es mit der Treue nicht so genau nehmen und mehrere Freundinnen gleichzeitig haben, sieht man ihnen das in der Familie und in der Community großzügig nach, sie sind halt ’junge Heißsporne’, heimlich wird man sogar die ‚tollen Hechte’ bewundern. Außerdem hatte ja auch der Prophet mehrere Frauen. Für eine Muslima wäre ein derartiger ’Männerverschleiß’ jedoch undenkbar, mit einem Mann aus sexueller Lust zu schlafen ist für diese Frauen höchst kompromittierend, die Familie würde einen solchen Lebenswandel, der Schande über die ganze Sippe bringen würde, nicht akzeptieren.

Selbst wenn eine Horde muslimischer Jugendlicher eine sommerlich leicht bekleidete ’Ungläubige’ vergewaltigt, bringen die Täter keine Schande über die Angehörigen, weil ein solches Verhalten nach den Richtlinien der Sunna[14] regelgerecht ist, die Verbrecher in den traditionellen Milieus der Parallelgesellschaften sogar aufwertet. Selbst wenn der Moslem vergewaltigt, ist nach den Denkmustern der muslimischen FundamentalistInnen grundsätzlich die Frau schuld, schließlich kann es nach islamischem Verständnis gar nicht anders sein, als dass sie ihn verführt hat und das ’arme männliche Opfer’ nur ihrer raffinierten Verführungstaktik und wirkungsvoll in Szene gesetzten Reizen erlegen ist. Muslimische Ehemänner, die ihre Frauen und Kinder verprügeln, verletzen ebenfalls nicht die falsch verstandene Ehre ihrer Familie. Gemeinsam bei einer chronisch kranken alten Dame einzubrechen, sie bestialisch zu quälen und sie zu bestehlen[15] ist für islamistisch denkende Clans ebenfalls ein dummer Jungenstreich, wenigstens solange es sich bei der gedemütigten Frau um eine Dhimmi handelt. Nach dem brutalen Überfall (Juli 2007) der Kinderbande in Mönchengladbach-Speick haben weder die albanischen Eltern der Haupttäter noch ein Hodscha oder Imam diese menschenverachtende, respektlose Untat verurteilt. Das StGB der BRD gibt den jungen Migranten offensichtlich keine Handlungsorientierung, der Clan missbilligt lediglich das sich Erwischen lassen.

Solange Muslime die Regeln und Verhaltensempfehlungen von Koran, Sunna und Scharia hoch achten und die Hierarchie des Clans respektieren, sind sie sich in für sie bedrohlichen Situationen der Solidarität und Unterstützung der Sippe sicher. Sollte wegen der aus der stammesüblichen Missachtung der demokratischen Regeln und Wertehierarchien der christlich-humanistischen Mehrheitsgesellschaft resultierenden Respektlosigkeit und des größenwahnsinnigen Hochrisikoverhaltens (verbotene Autorennen, Straftaten als gefährliche Mutproben, Schlägereien, Sachbeschädigung) Ärger ins Haus stehen, Annääh läuft zur Hochform auf und bringt alles wieder ins Lot, auch die übrigen Familienmitglieder verharmlosen nachsichtig grobe Rüpeleien als dumme Bübereien.

Doch hat diese Solidarität des Clans einen Pferdefuß: Sollte der Familienrat beschließen, dass auf Grund eines Verstoßes gegen die Maßgaben von Sunna, Koran und Scharia die falsch verstandene Familienehre wieder rein gewaschen werden muss, gibt es für den potentiellen Mörder kaum einen Ausweg sich dem innerfamiliären Auftragsmord zu entziehen. Ayhan Sürücü musste seine Schwester Hatun Aynur umbringen, wenn er sich nicht selbst in Lebensgefahr begeben wollte. Mit seinen Gewissensbissen, die sicherlich auch im Milieu des Tötens aus falsch verstandener Ehre den Täter quälen, muss der inhaftierte Schwesternmörder nun lange Jahre in einer beengten Zelle hinter Gittern leben. Ich glaube nicht, dass die vom Vater nach der Tat geschenkte goldene Uhr und der ihm von seinem älteren Bruder wegen der Untat entgegengebrachte ’Respekt’ darüber hinwegtrösten können.

Während beim ’Dschihad im Klassenzimmer’ und bei den ’diplomatischen Verhandlungen mit den aufgebrachten Geschädigten’, die unter dem ungezügelten Draufgängertum und der sadistischen Respektlosigkeit der Söhne zu leiden hatten, die Mütter gut genug sind, ihre Söhne zu verteidigen und ’über den grünen Klee’ zu loben, um sie ins ’rechte Licht’ zu rücken und für ihre verwöhnten Bengel die ’heißen Kastanien’ aus dem Feuer zu holen, ist jedoch der Vater als Familienoberhaupt zuständig, wenn der Jugendliche oder Heranwachsende bei einer Straftat erwischt wurde und von der Polizei abzuholen ist oder Elterngespräche geführt werden sollen. Seine Ehefrau ist auf dieser Hierarchieebene nicht mehr vertretungsberechtigt. Doch statt mit der Polizei gemeinsam nach Lösungskonzepten zu suchen, beispielsweise das Jugendamt hinzuzuziehen, scheitert zunächst das Gespräch an den tatsächlichen oder angeblichen schlechten Kenntnissen der deutschen Sprache des Vaters. Doch auch ein eilig herbeigerufener Dolmetscher wird den Klienten voraussichtlich nicht überzeugen können, sein Recht auf Unterstützung in schwierigen Erziehungssituationen in Anspruch zu nehmen, da es aus väterlicher Sicht doch gar keine Probleme gebe. Der Junge sei nicht wirklich schlecht, er werde ihm gründlich ins Gewissen reden. Zuhause geschieht dann … nichts. Es folgt die nächste Straftat. Das oben beschriebene Prozedere wiederholt sich nicht selten ein paar Mal, die später im dann fälligen Jugendgerichtsverfahren als Erziehungsmaßnahme auferlegten Sozialstunden werden in der Regel nicht abgeleistet, was wegen Überlastung der Jugendgerichtshelfer nicht sofort geahndet wird. Und prompt beginnt der Teufelskreislauf von vorne. Unter den gleichaltrigen Kumpels gelten die dickfelligsten Ignoranten als Helden. Nicht nur die Schwerfälligkeit und Langatmigkeit der Justizbehörden sondern vor allem das stillschweigende Dulden der Straftaten seitens der Community verleitet manche der fehlgeleiteten jungen Straftäter dazu zu glauben, einen Freibrief zu haben, ihre kriminellen Allmachtsphantasien jahrelang auszuleben.

06. Sunna der Mädchenerziehung

Ganz anders sieht die Erziehung bei den frommen Töchtern aus. Muslimischen Mädchen und Frauen sind von klein auf viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens wegen der vor allem in Koran und Sunna genannten patriarchalen Verhaltensregeln, Denkmuster und Einstellungen nicht zugängig, beziehungsweise strengen Vorschriften unterworfen. So dürfen Frauen und Männer nicht gemeinsam beten. Schülerinnen sollen nicht an mehrtägigen, gemischten Klassenfahrten teilnehmen. Oft werden sie vom Sexualkundeunterricht befreit. Für die regelgerechte Abmeldung vom Schwimm- und Sportunterricht können sich Eltern bereits Form vollendete Vordrucke aus dem Internet herunterladen. Wenn eine Schule auf einer Teilnahme am Schwimm- und Sportunterricht besteht, müssen die Schülerinnen unpraktische Kleidung tragen, die Beine und Arme, zwar züchtig verhüllen, den Anforderungen an die Beweglichkeit jedoch nicht gerecht wird. Auch sollen die Haare trotz der unfallträchtigen Befestigungstecknadeln selbst beim Handballtraining unter Kopftüchern versteckt werden, damit der Haarschopf nicht die Aufmerksamkeit eines Lehrers oder Mitschülers auf sich zieht.

Männer und Frauen geben sich zur Begrüßung nicht die Hand, da selbst der harmlose kurzfristige Hautkontakt sexuelle Begierden beim männlichen Gegenüber wecken könnte. Muslimas ist es in der Öffentlichkeit verboten, ohne sehr triftigen Grund einen Mann anzusprechen, entsprechend werden es Männer vermeiden, mit ihnen zu reden. Es gibt Rechtsauffassungen, die sogar den Tagesgruß erotisieren. Im Gegensatz zu ihren heranwachsenden Brüdern, die hingehen dürfen, wohin sie wollen und sich treffen mit wem sie wollen, überwachen Familien ihre Töchter, verbieten ihnen den Besuch von KlassenkameradInnen, selbst wenn diese Glaubensschwestern sind, das draußen Herumtollen und Spielen wird eingeschränkt, ein spontaner Stadtbummel, Spaziergang, Ausflug ist Jugendlichen nicht mehr möglich, Kinobesuche sind verboten. Es sind meist die weiblichen Angehörigen, die bereits die Mädchen im Grundschulalter an das Tragen eines Kopftuches gewöhnen wollen. Immer mehr islamische Familien gestalten ihren Alltag genau nach den traditionellen, in der Sunnah und im Koran mit verschiedener Verbindlichkeit empfohlenen Verhaltensmustern und Regeln. Nach Einbruch der Dunkelheit, das kann im Winter in unserer Klimazone schon gegen 16.30 sein, hat daher eine anständige Frau nichts mehr auf der Straße verloren, es sei denn sie ist verschleiert und in Begleitung eines Mahrams. Die Jungfräulichkeit der unverheirateten Frauen, die einen wesentlichen Teil der falsch verstandenen Ehre der ganzen Sippe symbolisiert, muss unbedingt geschützt werden, da ist fast jedes Mittel recht. Fest davon überzeugt, wie allen Frauen auch ihren Töchtern allein auf Grund ihres angeblich verführerischen und teuflischen Weiblich-Seins misstrauen zu müssen, versucht der Clan durch strenge Kontrolle und das Bestehen auf akribisch einzuhaltende Vorschriften ’Schande’ von der Familie fernzuhalten.

Die an den Aussagen von Koran und Sunna orientierten, streng einzuhaltenden Verhaltensregeln bauen bei den Mädchen und Frauen einen hohen Konformitätsdruck auf, der sich nicht selten in Verhaltensauffälligkeiten wie Ritzen und Essstörungen[16] manifestiert. Spätestens mit Einsetzen der ersten Regel, bei Südländerinnen im Schnitt mit zehn Jahren, unterstützt die Tochter die Mutter bei der Hausarbeit und kümmert sich um die Betreuung jüngerer Geschwister. Mit der Einführung der Ganztagsschule haben die Teenager dann nicht selten einen fünfzehn Stunden Tag, wenn sie nach der Rückkehr von der Schule gleich mit der Erledigung der ihnen übertragenen Hausarbeiten beginnen und beispielsweise die jüngeren Geschwister hüten. Für Hobbies oder Pflegen von Freundschaften bleibt kaum Zeit. Die Brüder hingegen werden nie zur Mitarbeit herangezogen, müssen je nach Alter nur zum Koranunterricht, sollen regelmäßig beten und Freitags in die Moschee gehen, ansonsten genießen sie die reichliche Freizeit nach Lust und Laune.

Schul- und Berufsausbildung ist bei den Mädchen, wenn überhaupt, nur bis zur Hochzeit wichtig, Muslimas heiraten traditionsgemäß sehr früh und ’arrangiert’[17], die Wahrscheinlichkeit, dass die junge Braut ’unberührt’, das heißt sexuell absolut unerfahren in die Ehe geht, ist dann besonders groß und die Verantwortung für den Schutz kann endlich an den Bräutigam und dessen Familie abgegeben werden. Es ist üblich, dass der Vater des künftigen Bräutigams an die männlichen Verwandten der Braut einen zuvor ausgehandelten Brautpreis auszahlt[18]. Sind die jungen Mädchen mit der Wahl des ausgesuchten zukünftigen Ehemannes nicht einverstanden, wird keine ’gute’ Tochter es wagen, diese für die Zukunft so folgenschwere, womöglich lebenslang bindende Entscheidung anzweifeln oder den Ehekandidaten gar brüsk ablehnen, würde sie doch die Menschenkenntnis, Lebenserfahrung und gute Absicht der Eltern und Schwiegereltern oder sonstiger nahe stehender ’EheanbahnerInnen’ und nicht zuletzt die Weisheit Allahs in Frage stellen. Lehnen sich doch hin und wieder einige Mädchen auf und weigern sich, den potentiellen Ehemann zu akzeptieren, drohen ihnen die Mütter mit Selbstmord[19] und setzen so die Töchter unter unvorstellbaren psychischen Druck, den einige nicht aushalten[20]. Der in allen traditionell-koranisch ausgerichteten Familien stark reglementierte Tagesablauf der weiblichen Familienmitglieder, das den Mädchen und Frauen ständig entgegengebrachte Misstrauen, die permanente Kontrolle jedes ihrer Schritte in der Öffentlichkeit bestärken den Eindruck, dass Mädchen, Frauen und sogar die eigene Schwester und Mutter als minderwertige, defizitäre Geschöpfe einzustufen sind, die wegen der Bedrohung der falsch verstandenen Ehre der Sippe allzeit zu überwachen sind.

07. Männerwelt und Frauensphäre

Grundlage für die islamische Variante der Genderspaltung ist das vormoderne patriarchale Menschenbild im Islam. Zwar sind nach weit verbreiteter Auffassung der religiösen Gelehrten Männer und Frauen vor Allah gleich und beide können bei entsprechendem Wohlverhalten ins Paradies kommen, doch sei der Weg dorthin für Frauen wegen angeblicher, angeborener, natürlicher Unterschiede in der weiblichen Biologie und Wesensart erheblich steiler und beschwerlicher als für Männer. So könne die Frau zwar eine Seele haben, was sie zum menschlichen Wesen mache, doch bringe ihre Natur ihr angeborene Nachteile, die sich im Alltag auswirken würden. Frauen seien daher z.B. nach verbreiteter Rechtsauffassung der islamischen Gelehrten während ihrer Menstruation unrein, dürfen in dieser Zeit weder beten noch fasten und müssen diese religiösen Pflichten nachholen[21]. Auch fehle es Mädchen und Frauen an Einsicht und Vernunft. Deshalb müsse die Aussage einer Zeugin vor einem Scharia-Gericht durch eine zweite Zeugin bestätigt werden, um die Beweiskraft der Aussage eines Mannes aufzuwiegen. Weibliche Staatsoberhäupter wie Angela Merkel, Ministerinnen wie Ursula von der Leyen und die Präsidentschaftskandidatin der Weltmacht USA, Hillary Clinton, mögen mir verzeihen, aber wenn man den überlieferten Aussagen des Propheten glaubt, könnten Frauen auf Grund dieses Mangels an Verstand niemals die Staatsgeschäfte so kompetent ausführen, wie es nötig wäre, um sozialen Frieden zu schaffen sowie Wohlstand und Lebensqualität für die Bevölkerung zu ermöglichen und zu vermehren. Wahrscheinlich ist die Diskrepanz zwischen der korangemäßen Frauenrolle, der angebliche Mangel an Einsicht und Vernunft auch ein Grund, warum Lehrerinnen von muslimischen Schülern so wenig akzeptiert, respektiert und oft beleidigt werden[22]. Wer jedoch hier lernen arbeiten und leben will, wird die von der Mehrheit getragenen Absprachen, Vereinbarungen, Regeln und Gesetze akzeptieren und befolgen mussen (Tibi) und bereit sein, einen wesentlichen Teil sich den muss bereit sein,

Auf Grund der Verschiedenheit der Wesensart von Mann und Frau und deren komplett unterschiedlichen Lebenswelten könne es nach den überlieferten Hadithen des Propheten und seiner Begleiter, Suren des Korans und der Kernaussage der Scharia keine universellen Menschenrechte geben. Ayatollah Murtada al-Mutahiri schreibt z.B. sinngemäß, dass ’die Welt und die natürliche Beschaffenheit von Frau und Mann unterschiedlich sei. Daraus ergebe sich zwangsläufig, dass viele Rechte, Pflichten und Strafen nicht einheitlich seien’. Daher steht eine vergewaltigte Muslima vor einem schier unlösbaren Problem. Einerseits ist sie verpflichtet, das Verbrechen anzuzeigen, um einem Mord wegen Verletzung der falsch verstandenen Familienehre zu entgehen, andererseits muss sie entweder ein Geständnis des Täters vorweisen oder 4 männliche Zeugen erbringen, die ihre Aussage bestätigten. Gelingt ihr das nicht, was sehr wahrscheinlich ist, drohen ihr eine Gegenklage und 80 Peitschenhiebe wegen angeblicher Verleumdung. Durch die physischen und psychischen Folgen der Untat gedemütigt und traumatisiert, wird sie wieder Opfer[23], diesmal durch die strukturelle Gewalt der Scharia-Gerichte.

Nachgewiesen werden müssen die verallgemeinernden, diskreditierenden Behauptungen über die weibliche Wesensart nicht, noch weniger dürfen sie angezweifelt oder kritisiert werden, denn die Koransuren wurden nach muslimischer Lehre von Allah den Menschen offenbart, fassen seinen Willen in Worte und sind über jeden Zweifel erhaben. Wer den Wahrheitsgehalt der Gottesbotschaft in Frage stellt oder Gottes Wort kritisiert, stellt nach islamischem Verständnis das Allwissen und die Weisheit des Schöpfers der Welt in Frage und begeht Blasphemie, ein todeswürdiges Hadd-Verbrechen. Auch die überlieferten Aussagen und Ratschläge des Propheten und seiner Gefährten in den Hadithen sind für ’Rechtgläubige’ verlässliche Orientierungshilfen, mit unterschiedlichem Verbindlichkeitsgrad. Resultierend aus dem Verbot des kritischen Hinterfragens religiöser Inhalte wird das Reflektieren von Sachverhalten in allen Themenbereichen verneint und MuslimInnen schon im Kleinkindalter systematisch abgewöhnt. Lernen heißt auch wertschätzen, lieben und mitfühlen und bedroht somit das Dogma des unantastbaren Tawhid (der Einheitlichkeit Gottes im Himmel, ebenso: der Totalität der Umma, der islamischen Weltgemeinschaft auf Erden) mit der Gefahr von Schirk und Bid’a, (Beigesellung und Neuerung). Du sollst eben keine Götter neben Allah haben.

Das Funktionieren von Maschinen und Geräten wird einfach hingenommen, der Gebrauch nachgeahmt, Inhalte und Informationen der technisierten Moderne werden stumpfsinnig akzeptiert und umgesetzt. Nach Gründen zu fragen oder Erklärungen zu suchen ist einfach nicht vorgesehen. Einer meiner Schüler, etwa acht Jahre alt fragte seine Mutter: „Annääähh, warum steigt man vorn in den Bus ein?“ Die Mutter über diese Frage höchst erstaunt wie man eine solche Frage überhaupt stellen kann: „Natürlich weil das so auf dem Schild steht.“

„Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt bleibt dumm. Viele tausend Sachen gibt es auf der Welt zu seh`n, manchmal muss man fragen, um sie zu versteh’n“, hieß es im Intro der Sesamstraße. Bei meiner beruflichen Tätigkeit in der Lern- und Sprachförderung hatte ich oft den Eindruck, dass Fragepronomen im Wortschatz von Kindern und Jugendlichen mit muslimischem Sozialisationshintergrund nicht existieren. Die Arbeit mit diesen SchülerInnen ist in den ersten Wochen oft zeit- und energieaufwändig, weil sie Lerninhalte einfach hinnehmen, unwichtig ob sie verstanden worden sind, uninteressant ob der Lerninhalt plausibel erscheint. Viele lernen den Unterrichtsstoff einfach auswendig, um ihn anschließend zu rezitieren. Diese ’Lerntechnik’ ist jedoch spätestens in den weiterführenden Schulen nicht mehr erfolgreich.

Um die bestehenden patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen nachhaltig zu sichern, gaben sich die islamischen Gelehrten nicht damit zufrieden, die Hälfte der Menschheit als minderwertig, defizitär und dumm zu stigmatisieren. Sie diffamierten Mädchen und Frauen auch als sozial zersetzende, Unfrieden stiftende Verführerinnen, die, wenn sie einem Mann begegnen, nichts anderes im Sinn haben könnten, als ihn vom gottgefälligen Weg abzubringen und zu betören, selbst wenn die Ehefrau neben ihm steht. Allein ihr doppeltes x‑Chromosom mache Mädchen und Frauen zu einer ständigen Gefahr für jeden Mann, ihre teuflische Macht bewirke, dass ihr bloßes Erscheinen ausreiche, dass Männer nicht mehr Herr ihrer Sinne und ihres Willens seien. Sie stifte schon dadurch Unruhe (al Fitna), dass Nicht-Mahrams ihr Gesicht und ihre Haare sehen. In der Nähe von weiblichen Personen sei der Mann so schwach, als hätte sie zehn Aurah[24]. Erst im Grab sei die Männerwelt vor ihrer sexuellen Ausstrahlung und Verführungskunst (Aurah) sicher, das soziale Umfeld, andere Frauen eingeschlossen, bliebe dann endlich von ihrem spaltenden, verletzenden und zerstörerischen Einfluss verschont[25]. Um zu verhindern, dass Männer als völlig wehrlose, jämmerliche Opfer weiblicher Attraktivität und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig sind, somit auch für wichtige Aufgaben im Stamm, z. B. die Bekämpfung feindlicher Angreifer, nicht mehr zur Verfügung stehen, empfahl der Gesandte Allahs, dass Muslimas zusätzlich zu ihrer Haarpracht das Antlitz verschleiern sollen, wenn es hübsch ist. Diese Ansicht teilen einige Islam-Gelehrte und religiöse Vorbilder heute noch.

Muslimische Rechts- und Religionsexperten dämonisieren und pornografisieren die Frau von Geburt an. Nach dieser Rechtsauffassung erregen bereits weibliche Neugeborene die männliche Lust, weshalb der Unterleib des Kindes abgedeckt werden soll, wenn ein Mann beim Wickeln zufällig das Zimmer betritt. Wer jetzt glaubt, so winzige weibliche Wesen können höchstens den Beschützerinstinkt im Mann wecken, jedoch niemals seine sexuelle Begierde, der kennt den Islam nicht. Selbst diesen hilflosen Winzlingen unterstellt Koran, Sunna und Scharia nur aus Aurah und Fitna zu bestehen. Das damalige Oberhaupt des schiitischen Islams, Ayatollah Khomeini, schreibt: „Es ist dem Mann erlaubt, sich mit einem Baby sexuell zu vergnügen. Er sollte es jedoch nicht penetrieren. Falls er es dennoch tut, und das Kind einen Schaden erleidet, soll er für seinen lebenslangen Unterhalt aufkommen. Allerdings wird das Mädchen nicht unter seine vier (möglichen) Frauen fallen[26]. Der Mann darf sich somit nicht nur an wehrlosen, weiblichen Babys vergehen, er genießt auch das von Allah garantierte Recht, ’unbeschädigte Ware’ zu ehelichen.

Nach diesen schon weibliche Neugeborene pornographisierenden Vorstellungen darf der stolze Vater niemals seine kleine Tochter anziehen, sie baden oder knuddeln, nur flüchtiger Hautkontakt ist erlaubt. Schon kleine Mädchen seien auf Grund dieser angeborenen, verderblichen und teuflischen sexuellen Ausstrahlung in Gefahr, Männern den Verstand so zu vernebeln, dass sie Opfer der nicht mehr zu beherrschenden Triebhaftigkeit des Mannes werden. Erziehungsziel im Islam ist es daher, in Mädchen und Frauen allgegenwärtiges Beschämtsein wegen ihrer erotischen Anziehungskraft zu erwecken, was jeden noch so zarten Ansatz von bejahender, individueller Weiblichkeit und selbstbestimmter Sexualität im Keim erstickt. Durch ständige Ermahnungen, soziale Kontrolle und Genderapartheit bestärkt, werden in jeder Muslima, von Geburt an permanent Schuldgefühle und Gewissensbisse wegen ihrer Attraktivität geschürt, die dazu beitragen, die übergriffige und gewalttätige Lust der Männer als Gottes gerechte Strafe zu umzudeuten und schicksalsergeben als unabwendbar hinzunehmen. PsychologInnen werden wissen, welchen Schaden ein nicht hinterfragbares und nicht kritisierbares Verinnerlichen solcher Frauenbilder, Glaubens- und Lebensphilosophien Generation für Generation bei Kindern und Erwachsenen stiftet.

Wenn Muslime fremdgehen oder sogar vergewaltigen, ist immer die sexuelle Anziehungskraft der Frau schuld. Ihrer teuflischen, erotischen Ausstrahlung könne kein Mann widerstehen. (siehe Fußnote 22) Bezogen auf den Umgang mit dem anderen Geschlecht beanspruchen die sich sonst immer als stark und unbesiegbar aufspielenden Helden gerne die Opferrolle. Obwohl dieses Verhaltensmuster das so genannte starke Geschlecht zunächst als schwach, wehrlos und manipulierbar etikettiert, stabilisiert diese von diesen Machos sonst verhöhnte Rolle der Ohnmacht die Herrschaft der Männer über die Frauen. Diese scheinbare Erniedrigung nämlich erstellt, durch die generelle Verteufelung des Weiblichen immer wieder entschuldbar, jedem Gläubigen auf unbegrenzte Zeit einen Freibrief, seinen sexuellen Appetit nach Lust und Laune ungehemmt zu stillen. Die Wirkung der magischen Verführungskünste jeder Frau darf bei Bedarf sogar gemäß Sunna verzehnfacht werden, um als besonders wehrlos zu erscheinen und jeden leisen Verdacht von Verantwortlichkeit und Schuldhaftigkeit weit von sich zu weisen. Ganz im Einklang mit Koran, Scharia und Sunna werden sexuelle Übergriffe, Vergewaltigung in der Ehe und sadistische Gruppenvergewaltigungen von der religiösen Gemeinschaft biologisiert und sakralisiert. Die zersetzenden und spaltenden Folgen für die betroffenen Familien werden verschwiegen und die traumatisierenden Auswirkungen auf das tatsächliche, nämlich weibliche Opfer geleugnet. Die zügellose, nicht zu beherrschende Triebhaftigkeit des Mannes und die angebliche Unfrieden und Verwirrung stiftende Boshaftigkeit und prinzipiell sexuell erregende Nähe jeder Frau werden als den Geschlechtern angeborene Wesensmerkmale tradiert und sozialisiert. Belästigung, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung sind nach diesem islamischen Erklärungsmuster der Lauf der Dinge, sind Kismet der Frau. Sanktioniert wird männliche sexualisierte Gewalt so gut wie nie, allenfalls am weiblichen Opfer, da es einer noch so couragierten Klägerin kaum gelingen wird, ein Geständnis des Täters / der Täter oder die nach Scharia notwendigen vier männlichen Zeugen beizubringen.

Dem sexuell missbrauchten, gedemütigten Opfer wird ein weiteres Mal Unrecht zugefügt, wenn ihm die eigene Großfamilie die Alleinschuld am sexuellen Übergriff und der ’besudelten Familienehre’ zuschiebt. Es wurde offensichtlich, dass die Sippe ihrer wichtigsten Aufgabe, nämlich die Frauen des Clans zu schützen, nicht erfolgreich nachkommen konnte. Derartig bloßgestellt, verliert die weit verzweigte patriarchale Großfamilie, der ganze Stamm, an Ansehen und Einfluss, sie gerät in Verdacht, glaubensabtrünnig zu sein. Die Nachbarn brechen in Folge den sozialen und ökonomischen Kontakt ab, niemand würde solche Familien einladen, besuchen, oder Nachbarschaftshilfe leisten. Keiner würde solchen Ladenbesitzern Ware abkaufen, mit einem Mitglied des Clans zusammenarbeiten oder seinerseits Handel treiben. Schnell wäre die wirtschaftliche Existenz vernichtet, die körperliche Gesundheit gefährdet. Die betroffene Sippe wird daher versuchen, sich zu rehabilitieren. Ist das Vergewaltigungsopfer noch unverheiratet, wird es beispielsweise mit dem Täter oder mit einem wenig angesehenen, wesentlich älteren Mann zwangsverheiratet. Leider kommt es aber auch in Deutschland immer wieder vor, die missbrauchte Frau aus falsch verstandener Ehre zu töten. Das ist die ’Sühne’ mit der das unschuldige Opfer annähernd das Ansehen ihrer Sippe wiederherstellen herstellen kann. Nur so kann der massive wirtschaftliche Schaden, als ’beschädigte Ware’ senkt die missbrauchte Tochter ihren Brautpreis und den ihrer Schwestern, in Grenzen gehalten werden[27].

Auch Ali, der Schwiegersohn des Propheten soll gesagt haben, dass die Frau durch und durch böse sei, gerade auch weil man nicht auf sie verzichten kann. In einem Hadith, heißt es, dass die Frau teuflisch, verführerisch und schlecht sei, deshalb seien die Frauen auch in der Hölle in der Überzahl. Die Frau sei eine Aurah, und wenn sie das Haus verlasse, käme ihr der Teufel entgegen. Zu ihrem eigenen Besten müsse ihr der Ausgang verboten werden, sie sei Gott am Nächsten, wenn sie im Haus versteckt bleibt. Gläubige, traditionell denkende Muslimas akzeptieren diese jede individuelle Entfaltung verhindernden, gewissermaßen mit dem doppelten x-Chromosom verschmolzenen Wesenszüge als gottgegeben und unabänderlich und sollten doch Zweifel aufkommen, dann gilt: „Allah ist weise, Allah weiß es besser“. Kritik an frauenfeindlichen Fatwas, dass steht der Unfrieden und Verwirrung stiftenden, jede Gemeinschaft spaltenden, dem Teufel nahe stehenden und wenig einsichtsfähigen Frau schlecht. Nicht nur dass man Kritikerinnen sofort unterstellen würde, Fitna zu verbreiten und Schwestern und Brüder im Glauben vom rechten Weg abzulenken, sie würden sich auch selbst gefährden, weil sie die Autorität der Gelehrten der Rechtsschulen untergraben. Über den Islam können FundamentalistInnen und TraditionalistInnen eben nicht diskutieren, denn für sie heißt Islam Unterwerfung. Sie haben nach ihrer Auffassung die Genderspaltung im öffentlichen wie privaten Raum zu akzeptieren und nehmen es auch widerspruchslos hin, wenn ihr Ehemann sie angeblich zu ihrem Schutz und zu Ihrem Besten ins Haus verbannt. Dort, auf die ehelichen und häuslichen Pflichten sowie die Kindererziehung reduziert, fällt einem schnell die Decke auf den Kopf, zumal wenn man in der kulturellen Moderne sozialisiert wurde. Da chattet man auch schon mal gerne im Internet, selbstverständlich nur in muslimischen Frauenforen.

08. Auswirkungen der Genderrollen

Während Männer in patriarchalen Gesellschaften Seilschaften bilden, die zusammenhalten und miteinander durch dick und dünn gehen, misstrauen sich Frauen. Dieses Verhaltensmuster ist zwar auf der ganzen Welt verbreitet, trifft jedoch in besonderem Maße für die Anhängerinnen der kulturellen Vormoderne unter den Muslimas zu, weil sie verinnerlicht haben, dass die angeblich angeborene moralische Verwerflichkeit und erotische Ausstrahlung, eben Aurah und Fitna, untrennbar mit dem Weiblichsein verbunden seien. Ein anderes weibliches Persönlichkeitsprofil kann für sie gar nicht existieren, das wäre nämlich Kritik an der ’Schönheit’ des Islam und sehr ungesund. So beobachtet die Mutter argwöhnisch den Kontakt der Tochter zu Männern, selbst die unbefangene Nähe des Kindes zum eigenen Vater kontrolliert die Mutter eifersüchtig, die Schwester sorgt dafür, dass die anderen Schwestern nicht heimlich mit Ihrem Ehemann kokettieren, die Freundin überwacht misstrauisch die beste Freundin. Frauen fürchten in jeder Frau die Nebenbuhlerin und bilden deshalb meist nur lose Zweckgemeinschaften, die sich zudem nicht selten durch zermürbenden Kleinkrieg untereinander das Leben erschweren. Sogar die religiöse, islamkonforme Kleidung missbrauchen manche, um sich gegenseitig im Wettbewerb ’wer ist die frommste unter uns’ aus dem Feld zu schlagen.

Konvertitinnen, die in der säkularen Moderne aufgewachsen sind, hatten, verglichen mit praktizierenden Muslimas, vor ihrem Glaubenswechsel sicherlich einen sehr freizügigen Lebensstil (sexistische Kleidung, flirten, Sex vor der Ehe, Alkohol trinken). Zwar wussten sie zu dieser Zeit nicht, dass sie, legt man die Regeln von Koran und Sunna zu Grunde, ein moralisch verwerfliches Leben geführt hatten, doch werden sie ihre frühere Lebensweise bereuen und sich nun besonders viel Mühe geben, nicht länger den Zorn Allahs herauszufordern und ein gottgefälliges Leben führen. Vielleicht gibt es deshalb unter den übergetretenen Schwestern so viele Niqabi-Fans, die diese sittenstrenge islamische Kleidung bevorzugen, um mehr ’Hassanat’ (paradiesische Pluspunkte) zu sammeln und auch nach außen zu demonstrieren, dass sie nun besonders religiös und gottesfürchtig leben und weder der Familie des Mannes Schande bereiten, noch ihren Ehemann erzürnen wollen.

In vielen europäischen Ländern ist es Sitte, sich mit Handschlag zu begrüßen, man wünscht sich einen guten Morgen oder einen schönen Tag. Selbst diese höflichen Begrüßungsrituale werden von muslimischen FundamentalistInnen erotisch aufgeladen und ziemen sich für praktizierende Muslimas daher angeblich nicht. Konservative muslimische Frauen beten isoliert von den Männern, feiern hohe Familienfeste nach Geschlechtern getrennt, sitzen nie im gemischten Freundeskreis gemeinsam bei einer Tasse Tee. Indes lassen selbst traditionell denkende, nach Sunna und Koran lebende Muslime keine Gelegenheit aus, mit unverschleierten Frauen zu flirten, sie in ein Café zum Tee einzuladen und sie mit lästigen Fragen zu behelligen, manche junge Burschen stellen hübschen, modernen Mädchen in unverschämter Weise nach, veranstalten regelrechte Treibjagden, in denen sie in Gruppen ihre in Panik geratenden Opfer vor sich her jagen. Unter all den lästigen „Verehrern“ sind durchaus auch verheiratete Familienväter, die sich als praktizierende Muslime bezeichnen würden. Kein Hodscha oder Imam wird sie für dieses Nachstellen ermahnen, anders als bei Frauen, denen neben dem Tadel Vergewaltigung und Höllenfeuer droht wenn sich so verhalten würden.

In einem Hadith heißt es, dass freie Christinnen und Jüdinnen ähnlich wie die Sklavinnen ihr Haar und ihr Gesicht nicht zu verhüllen brauchten und daher jederzeit als sexuell verfügbar anzusehen seien[28]. Daraus ergibt sich für Muslime der Freibrief, ihre sexuellen Wünsche jeder Zeit durch außereheliche Beziehungen mit diesen ’Kuffâr’ zu stillen. Sollte unter den Objekten der Begierde eine unverschleierte Muslima sein, kann man behaupten, sie habe sich unkeusch und aufreizend gekleidet. Einige KritikerInnen des Islams leiten aus dieser Textstelle sogar den sakralen Auftrag ab, Ungläubige zu schwängern und damit die Umma zu vergrößern[29]. Außerdem dürfen nach dem Koran Muslime mit bis zu vier Ehefrauen intim in ehelicher Gemeinschaft leben. Wenn er seine neue Favoritin dann ins Haus holt, muss seine erste Ehefrau sie als Familienmitglied und neue Partnerin des Ehemannes akzeptieren, und mit ihrer Nebenbuhlerin das Haus und den Mann teilen. Diese Entwürdigung hat die Ehepartnerin eventuell dreimal widerspruchslos zu ertragen, während sie selbst nicht einmal ohne Erlaubnis das Haus verlassen darf, um keine Gelegenheit zu haben fremde Männer zu sehen und anzuflirten. Obwohl Polygamie in europäischen Ländern verboten ist und Vielehen strengen Regeln unterworfen sind (z.B. gleichberechtigter Anspruch auf Versorgung) und daher auch in muslimischen Ländern eher selten sind (Armut), gibt es Familien in Deutschland, in denen Frauen so leben müssen[30]. Es würde mich nicht wundern, wenn Salafistinnen, die schließlich ihren Alltag streng nach den Überlieferungen Mohameds ausrichten wollen, diese männerfreundliche, Frauen entwürdigende und verletzende Form des Zusammenlebens verteidigen.

Legt man das im Koran und den Hadithen dargestellte Männerbild zu Grunde, müssten in Europa lebende Niqabis, gerade als Neomuslimas, die in säkularen Familien aufgewachsen sind, rasend vor Eifersucht sein und kochen vor Wut, sobald ihr Ehemann das Haus verlässt. Sie kennen die freizügige Lebensweise in der säkularen, aufgeklärten Moderne aus eigenem Erleben und haben nach dem islamischen Männerbild schließlich davon auszugehen, dass ihr Gatte, der anders als sie selbst, alleine hingehen und sich aufhalten darf wo er will und sich trifft mit wem er will, den Reizen weniger oder gar unverschleierter Frauen ’hilflos ausgeliefert’ ist und ihnen nicht widerstehen kann. Auch wenn der Mann ’nur’ mit einer ’Ungläubigen’ fremdgegangen ist, ist es menschlich, dass seine betrogene Ehefrau bitter enttäuscht ist, sich gedemütigt und entwürdigt fühlt, besonders wenn er diesen Treuebruch als sein Recht der sexuellen Herrschaft verteidigt und auch zukünftig einfordert, was korangemäß wäre. Der Niqab der Ehefrau wird den Ehebrecher nicht daran hindern, außerehelichen Sex zu haben, wenn er Lust darauf hat. Vor dieser schmerzhaften Erfahrung kann auch die Ganzkörperverschleierung nicht schützen. Der Niqab wird nicht verhindern, dass benachteiligende, frauenfeindliche religiöse oder traditionelle Regeln, Einstellungen und Konnotationen wie körperliche Züchtigung, Entrechtung, Demütigung, Entmenschlichung, Biologisierung, Dämonisierung, sexuelle Untreue des Ehemannes, Veruntreuung der in die Ehe gebrachten finanziellen Ressourcen, finanzielle Abhängigkeit, Freiheitsberaubung, aufgezwungene Mutterschaft, Vergewaltigung in der Ehe stattfinden und notfalls gewaltsam durchgesetzt werden. Zu diesen Diskriminierungen gehört auch die für Männer wesentlich leichter durchzuführende islamische Scheidung, bei der sich der Ehemann dreimal lossagt, neuerdings gerne auch per SMS[31].

Auch ihre Töchter unterliegen dem körperfeindlichen Frauenbild des traditionellen Islam, dem Jungfräulichkeitskult, der Zwangsuntersuchung auf intakte Jungfräulichkeit, der ständigen Kontrolle, sie haben nicht die Chance, eine ihren individuellen Fähigkeiten und Begabungen entsprechende Ausbildung wahrzunehmen und werden früh zwangsverheiratet. Anders als ihre Mütter, die das Grundrecht der Religionsfreiheit nutzen durften, um zum Islam zu konvertieren, können sie sich nie von dieser Religion lossagen, ohne der Apostasie beschuldigt zu werden und vogelfrei zu sein. Die Frau im traditionellen Islam gilt als sexuelles Objekt, dass der Mann ’benutzen’ kann wie und wann er will. Egal ob es eine unverschleierte Dhimmi ist oder seine eigene Ehefrau, die in der Öffentlichkeit und in der Nähe von Nicht‑Mahrams Niqab trägt. Die nur den Sehschlitz freilassende Verschleierung gibt der Frau nicht etwa Würde, sondern sie ist das unmissverständliche, äußerliche, für jede und jeden erkennbare Zeichen, dass die Trägerin sich unterwirft, Allah, dem Islam, dem Menschenbild in Koran, Scharia und Sunna. Dieses Kleidungsstück gibt ihr nicht das Recht auf eine würdevolle Behandlung. Gesichtslose Niqabis werden von Muslimen wegen ihrer frommen Kleidung nicht etwa besonders geschätzt. Ihre streng verhüllende Kleidung versinnbildlicht allenfalls den hohen Status des Mannes und seiner Ehre. Männer schützen nicht ihre Frau und deren Gesundheit, sondern ihre Zoontjesfabriek[32], ihren Ruf als Mahram und Ehemann sowie ihre Stellung in der Hierarchie des Stammes.

09. Die Bedeutung des Gesichtes und des Körpers in der sozialen Interaktion

Der Mensch ist ein soziales Wesen und als solches auf zwischenmenschliche Beziehungen hin angelegt. Ohne soziale Interaktion wären Männer wie Frauen nicht überlebensfähig, beide Geschlechter würden allmählich seelisch und geistig verarmen. Vier der fünf Grundbedürfnisse nach Maslow[33], nämlich Sicherheit, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Liebe, das Streben nach Wertschätzung und Geltung sowie das Bemühen um Selbstverwirklichung sind ohne Zutun oder Mitwirkung anderer nicht möglich. Wäre man nur in der Lage Hunger, Durst, Schlaf und ähnliche Lebensgrundlagen zu befriedigen, wäre das Leben ein Dahinvegetieren, das Dasein hätte keine Lebensqualität. Daher werden Menschen sich bemühen, Kontakt zum sozialen Umfeld aufzunehmen und zu halten. Der Schlüssel, um Zugang zu Mitmenschen zu erhalten, ist Kommunikation, die sich zu 7 % aus verbalen Informationen (was wird mit welchen Worten gesagt), zu 38 % aus vokalen Eindrücken (wie klingt die Stimme, Lautstärke, Betonung, Stimmlage) und zu 55 % aus nonverbalen Botschaften (Gestik, Mimik, Körperhaltung) zusammensetzt. Sobald Menschen einander begegnen, treten sie miteinander in Kommunikation, bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt. Selbst wenn wir schweigend aneinander vorbei gehen, tauschen wir Botschaften aus, die miteinander korrespondieren. Der Körper und vor allem das Gesicht sind uns dabei wesentliche Brücken. Unser Gesicht, wie auch das unserer Gesprächspartner, ist ein aufgeschlagenes Buch, in dem über persönliche Befindlichkeiten gelesen werden kann, aus dem man Rückschlüsse darauf ziehen kann, was die Person denkt und fühlt.

Selbst unsere Sprache reflektiert die Bedeutung nonverbaler Signale in jahrhundertealten Redensarten. Menschen „stehen sich nahe“, wenn sie sich sympathisch sind, sie sind „ein Herz und eine Seele“. Das Auspusten der Luft mit vollen Backen zeigt uns dagegen an, dass die GesprächspartnerIn unsere Worte ablehnt. Auch Stirnrunzeln signalisiert mindestens Skepsis bezüglich des Gehörten, schüttelt die GesprächsteilnehmerIn gleichzeitig den Kopf, gibt sie / er zu erkennen, dass ihr / ihm der Inhalt des Gesagten sogar ‚gegen den Strich’ geht (Pferde werden auch gegen die Wuchsrichtung des Fells gestriegelt), d.h. überhaupt nicht gefällt. Da nonverbales Verhalten zumindest bei den Grundemotionen nach Plutchik[34] zum großen Teil angeboren ist, fällt es Menschen mit gesundem Sehvermögen leicht, die Bedeutung dieser wortlosen Botschaften zu entschlüsseln, schon Babys beherrschen diese ’Sprache’ bevor sie reden können. Malt man auf ein Blatt Papier einen Kreis mit weit aufgerissenen ’Augen’ und ’gefletschten Zähnen’ werden sie Angst bekommen und anfangen zu weinen. Das Gesicht eines Menschen ist ein sehr wichtiger Anhaltspunkt eine Person wiederzuerkennen. Passanten, die Niqabis begegnen, müssen sich fühlen wie Prosopagnosie-PatientInnen[35], wie zum Wiedererkennen von Gesichtern Unfähige. Ganzkörperverschleierte Frauen sind gesichtslos, sie haben kein Profil, sie haben keine Einzigartigkeit, können kein Profil zeigen, daher auch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Gerissen kalkulierte Worte können den Inhalt der tatsächlichen Information einer Botschaft ’schönen’, „verschleiern“ oder gar verfälschen, körpersprachliche Signale wie Gesichtmimik und Körperhaltung sind dagegen spontane und oft unbewusste Umsetzungen des momentan Gedachten und Gefühlten in nonverbale Kommunikation. Sie wirkt daher authentisch, unverfälscht und ehrlich. Zwar kann man lernen, seine Körpersprache zu beherrschen und zu steuern, doch wird auch ein langwieriges, regelmäßiges Training nicht verhindern, dass nach einiger Zeit unbewusste, daher nicht beeinflussbare innerpsychische Befindlichkeiten und Emotionen an die Oberfläche drängen und verraten, was wir wirklich denken, sagen und fühlen. Der populistische Politiker und Medienmogul Berlusconi beschränkte Fernsehauftritte zu Beginn seiner Karriere immer auf höchstens 20 Sekunden und war mit dieser Strategie sehr erfolgreich, da es ihm für die bewusst kurze Dauer gelang, Gestik, Mimik und Körperhaltung zu beherrschen und die Botschaft zu vermitteln, welche die Wähler verinnerlichen sollten. Besonders glaubwürdig sind Menschen für uns dann, wenn verbale, vokale und nonverbale Botschaften über einen Mindestzeitraum hinaus kongruent sind.

10. Das Prinzip Niqab

Eine Niqabi kann durch den Gesichtsschleier keinen spontanen Kontakt zu anderen Menschen aufbauen. Gesichtsmimik, wie wir wissen eine wichtige zwischenmenschliche Kommunikationsbrücke[36], ist nicht mehr sichtbar. Ganzkörperverschleierte Frauen sind daher gesichtslos, sie haben kein Profil, sie haben keine Einzigartigkeit, sind ’Dutzendware’. Niqabis können auch kein Profil zeigen, daher auch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie haben ihr Gesicht verloren, dieses sprachliche Gleichnis ist eine weltweit verstandene Chiffre für ’seine Würde verlieren’. Sie können auch kein Gesicht gegen Rechts zeigen und für ein weltoffenes Deutschland. Das extrem eingeschränkte Gesichtsfeld dieses islamischen Frauengewandes bewirkt zudem eine künstliche Sinnesbehinderung, die sich negativ auf das Sehen auswirkt und daher nicht ohne Folgen für Körperhaltung, Muskeltonus, Psyche der Trägerinnen bleiben wird. Der Stoff vor dem Mund dämpft die Stimme, strengt beim Sprechen an und erschwert die Verständigung. Unverschleierte oder Kopftuch tragende GesprächspartnerInnen von voll verschleierten Frauen werden sich des Eindrucks nicht erwehren können, mit einem übergestülpten Stoffsack mit Augenschlitzen zu sprechen, bei Burkas wäre durch die Sichtgitter nicht einmal mehr die Augenfarbe erkennbar. Während Männer sinnbildlich ihre Nase in jede Angelegenheit stecken können, haben muslimische Frauen mit Gesichtsschleier diese Möglichkeit nicht. Öffentliche Kommunikation wird im traditionalistischen Islam zur männlichen Kommunikation.

Doch mit diesen exkludierenden Auswirkungen nicht genug: Dieses traditionelle Gewand raubt der Trägerin ihre weiblichen damit auch menschlichen Züge, ihrem Gesicht fehlen die Grundelemente bis auf die Augen, manchmal sind auch die, ähnlich wie bei der Burka, hinter einem diesmal durchscheinenden, opaken Stofffenster verborgen. Punkt, Punkt, Komma Strich, fertig ist das Angesicht, so lernen es schon Kleinkinder. Grundemotionen wie Freude, Trauer, Angst, Ekel, Hass sind authentische, untrennbar mit dem Menschsein verbundene Dimensionen von Befindlichkeit und Stimmungslage, die sich in Mimik, Körperhaltung und Körpersprache den Mitmenschen sichtbar mitteilen und ihrerseits Reaktionen des Umfelds auslösen[37]. Schon wenige Wochen alte Säuglinge suchen die menschliche Nähe und brauchen den Kontakt zu anderen Menschen, um sich gesund entwickeln und wohl fühlen zu können. Im Alter von 6-8 Wochen bereits erkennen sie die Grundelemente von Gesichtern und nutzen das so genannte ’soziale Lächeln’ als Kommunikationsbrücke zu Frauen und Männern in ihrer Umgebung. Wenn sich ein Augenpaar nähert, das den Säugling aus dem meist schwarzen Stoff ansieht, bereitet ihm das zunächst Angst. Er fängt an zu weinen, weil er dem Blick aus den Sehschlitzen keine Grundstimmung entnehmen und daher nicht einschätzen kann, ob ihm Gefahr droht. Erst wenn die Stimme aus dem Stoff sanft, warm und freundlich klingt, beruhigt er sich wieder.

Hörbehinderte, die durch den verdeckten Mund weder Stimmlage, Klangfarbe, Lautstärke des Gesagten wahrnehmen können, noch die Worte von den Lippen ablesen können und daher nicht entschlüsseln können, was das Gegenüber sagt oder ob es überhaupt spricht, könnten sich mit Niqabis nur verständigen, wenn beide die Gebärdensprache beherrschen (und anwenden). Für den gehandicapten Menschen wie für die extrem verschleierte Muslima eine völlig unnötige Kommunikationsbarriere, die beiden verdeutlichen sollte, wie absurd und diskriminierend der Gesichtsschleier Verständigung verhindert. Erwachsene brauchen den Gedanken- und Informationsaustausch im Gespräch innerhalb und außerhalb ihrer (Ursprungs)-Familie, um nicht seelisch und geistig zu verkümmern. Derartige ’sittsame’ Kleidung soll offensichtlich Frauen in der Öffentlichkeit den Mund verbieten, den potentiellen GesprächspartnerInnen soll die Lust vergehen, diese Frauen anzusprechen oder gar ein Gespräch mit ihnen zu führen. Der Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit erschwert den Kontakt, selbst untereinander, weil Niqabis, die ihren Glaubensschwestern auf der Straße begegnen, einander allenfalls am Klang der Stimme wiedererkennen können. Selbst die eigenen Kinder und der eigene Ehemann, die der traditionell-salafistisch gekleideten Muslima spontan in der Stadt begegnen würden, könnten in der ganzkörperverschleierten Figur nicht die Mutter und die Partnerin erkennen und würden unbeteiligt vorbeigehen, wie an einer Fremden, wenn die Niqabi sie nicht anspricht und dann an der Stimme erkannt wird. Hoffentlich ist dann niemand erkältet und heiser bzw. hört wegen dieser Infektion der möglicherweise durch ein Kopftuch verdeckten Ohren schlecht. Würdevolle Frauen und respektvollen Umgang stelle ich mir anders vor.

Wir versuchen in den Gesichtern von Menschen zu ’lesen’, um unser Verhalten diesen Informationen anzupassen. Diese über Jahrtausende weitergegebene Verhaltensweise ist offensichtlich überlebenswichtig und erleichtert unseren Alltag enorm. Sie hilft uns beispielsweise eine Gefahrensituation zu erkennen und einzuschätzen, um im Notfall blitzschnell einer Schädigung durch einen Angreifer auszuweichen, der uns wütend ’die Zähne zeigt’ und anfaucht oder dem Stirnrunzeln eines interessierten Käufers zu entnehmen, dass er unschlüssig ist oder die genannten Argumente anzweifelt. Geschulte Verkäufer werden daher nachfragen, welche Informationen er noch braucht, was unklar ist. Immer wieder wird es vorkommen, dass PassantInnen sich in einer Stadt nicht auskennen und nach dem Weg fragen oder irgendeine andere wichtige Information brauchen. Benötigt man die Hilfe von Fremden, wird man sich nach jemandem umsehen, die oder der vertrauenswürdig erscheint und mit ihrem / seinem offenen Gesicht Hilfsbereitschaft und Interesse an seinen Mitmenschen signalisiert. Gesichtsschleier jeder Art verstecken jedoch Gefühlsregung oder Mimik der Trägerin, sie verunsichern das Gegenüber und vermitteln den Eindruck, die Niqabi habe etwas zu ’verschleiern’. Der Stoff vor Mund und Nase erzeugt bei vielen Nichtverschleierten Angst und Misstrauen. Andere sehen in der nonverbalen Botschaft des Gesichtsschleiers eine Beleidigung ihres Menschenbildes und ihrer Lebensweise. Analog zur Aura-Fitna-Ideologie, die durch den Gesichtsschleier symbolisiert und umgesetzt wird, entmenschlicht der Niqab jede Trägerin zur wandelnden Vagina, zur Söhnchenfabrik auf Ausgang, alle unverschleierten Frauen werden zum nuttigen Sexualobjekt und Freiwild, Männer zu triebgesteuerten Tieren.

Zu einem für alle Seiten interessanten und bereichernden Gespräch ist es notwendig, einander ins Gesicht sehen zu können. Wertschätzende, gleichberechtigte Kommunikation ist wie bereits erwähnt wesentlich auf Gesichtsmimik angewiesen, die nur dann von allen GesprächspartnerInnen empathisch gespiegelt und beantwortet kann, wenn man sie sieht. Wichtige Gespräche führen wir deshalb von Angesicht zu Angesicht, mit Freunden unterhalten wir uns, wechselseitig Blickkontakt aufnehmend, in vertrauter Runde, auch bei sehr persönlichen Gesprächen sehen wir einander ins Gesicht, um Reaktionen auf das Gesagte zu entnehmen. Wir glauben jemandem an der Nasenspitze anzusehen ob sie / er lügt, unsere Wortwahl und die Intonation unserer Stimme passen wir dem Gesichtsausdruck unserer GesprächspartnerInnen an, um sie nicht zu verletzen oder um festzustellen, ob wir verstanden worden sind. Ein Niqab verhüllt das Gesichtsoval bis auf den Sehschlitz oder das engmaschige Sichtgitter blickdicht und nimmt der Trägerin Einzigartigkeit und Persönlichkeit. „Gesichter“ unterscheiden sich nur noch durch die Form, Farbe und Länge des Schleiers, sie erstarren zur ausdruckslosen, leblosen Maske, während selbst Totenmasken einen würdigen, individuellen Gesichtsausdruck haben.

Niqab-Trägerinnen wirken sehr auf sich selbst bezogen, abweisend sowie unnahbar und signalisieren schon von weitem: „Sprich mich bloß nicht an, ich will keinen Kontakt“ (das gilt, liebe Nora, auch für Niqabis untereinander). Kein Wunder also, wenn das aufgeschlossene, der Welt und den Menschen zugewandte kopftuchtragende oder unverschleierte Umfeld sich zurückzieht. Sicherlich werden die total verschleierten Frauen sich dadurch isoliert fühlen, doch war es nicht ihre Absicht sich abzugrenzen? Die Männer mögen euch vorgaukeln, der Niqab grenze Rechtgläubige vom anderen Geschlecht ab und sei zu eurem Schutz. In Wahrheit jedoch wollen sie euch von der Außenwelt abschotten, selbst als Gefangene auf Ausgang sperren sie euch in ein Gefängnis aus Stoff. Selbstverständlich könnt ihr den Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit als ’Würdigung eures Frauseins’ deuten, doch ist das Ansehen (Würde, Respekt, Geltung) ohne an‑sehen überhaupt möglich? Jeweils mit Tschador und Niqab oder Burka verhüllt, können Muslimas allenfalls die Augen der anderen Schwestern sehen, während Kopftuch tragende oder unverschleierte Frauen sich ansehend wieder erkennen und auch ihre Umgebung ganzheitlich wahrnehmen können, ohne durch großflächige stoffene Abdeckungen an den Sinnenorganen Haut, Nase, Ohren, Mund eingeschränkt, behindert zu sein.

Während das weitgehend verdeckte Gesichtsoval bei einer Ganzkörperverschleierung keine Gemütsregung erahnen lässt, können vollverschleierte Frauen in den Gesichtern der unverschleierten oder Kopftuch tragenden GesprächsteilnehmerInnen lesen wie in einem offenen Buch. Bei vielen Menschen deren Gesicht nicht bedeckt ist, entsteht dabei ein Unbehagen, ein Eindruck der Ungleichheit, ein Gefühl des schutzlosen ausgeliefert Seins, der Unterlegenheit. Ein konstruktives Gespräch auf Augenhöhe ist in einer solchen Gesprächsatmosphäre kaum denkbar. Nach altbewährter demokratischer Sitte sollten daher fundamentalistisch-traditionell gekleidete Muslimas sich der unverschleierten Mehrheit anpassen und bei offiziellen Gesprächsgelegenheiten wie KlientInnengesprächen beim Rechtsanwalt, als Patientin in der Arztsprechstunde oder in Dienstzimmern der kommunalen Verwaltung, an anderem beispielsweise nachbarschaftlichem Gedanken- und Informationsaustausch besteht ja wohl auf Seiten der Niqabis kein Interesse, wenigstens für diese begrenzte Zeit den Niqab ablegen.

Ähnlich denkt Jack Straw, der ehemalige britische Außenminister. In einem Artikel einer Zeitung, die in seinem Wahlkreis erscheint, äußerte er sich zum Thema Burka und Niqab und berichtete, dass er bei einer seiner regelmäßigen Bürgersprechstunden in seinem Wahlbezirk Blackburn, einer Stadt mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil (19,4 % bei einem Landesdurchschnitt von 3,0 %) auf eine vollverschleierte Muslima traf, die das Beratungsgespräch mit den Worten einleitete: „Schön Sie einmal von Angesicht zu Angesicht zu sehen.“ Er habe sich darauf hin nur gedacht: „Schön wär’s“. Seither bittet der jetzige Fraktionsvorsitzende der Labour Partei, seine vollverschleierten Klientinnen den Niqab während des Beratungsgesprächs abzunehmen. Meist kämen die Frauen seiner höflichen Bitte nach und wären oft sogar erleichtert[38]. Der Politiker gibt offen zu, sich unbehaglich und irritiert zu fühlen, wenn er einer Ratsuchenden bei einem Beratungsgespräch nicht ins Gesicht sehen kann und daher die Reaktionen auf seine Ratschläge allenfalls dem Klang der (durch den Stoff des Schleiers gedämpften) Stimme entnehmen muss, die er, weil er sie nicht kennt, dementsprechend schlecht einzuschätzen und zu entschlüsseln vermag.

11. Redensarten mit Körperbezug

Körper schafft Sprache und Körperbewusstsein. Menschen sagen, eine Sache habe „Hand und Fuß“, sie bieten jemandem „die Stirn“, sprechen einander „von Angesicht zu Angesicht“. Auch Sinn ist ohne Sinneserfahrung nicht „sinnvoll“ möglich, so erlebt jede und jeder von uns auch mal gerne, wie Wind in den Haaren spielt, wie die Sonne die Haut wärmt, wie Meereswasser den Leib kühlt. Das sind uralte, ur-menschliche Naturerlebnisse, die auch in der kulturellen Moderne Selbsterfahrung und Selbstwahrnehmung sinnlich begleiten. Niqabträgerinnen sind diese elementaren Körpererfahrungen und Sinneseindrücke verwehrt, sie können beispielsweise nicht die würzige Waldluft atmen, der Sehschlitz ihres Gewandes schränkt das Blickfeld so ein, dass der unebene, mit Wurzeln durchzogene Waldboden zur gefährlichen Stolperfalle würde. Ein körperliches Selbsterleben etwa durch das Ertasten des verschiedenartigen Waldbodens (lehmig, matschig, steinig, mit Kiefernnadeln übersät, uneben, nachgiebig, federnd, sandig, laubbedeckt) mit den Füßen wird verhindert, ein differenziertes Körperbild kann so nicht entstehen, Selbstbewusstsein wird sich so nicht entwickeln können. Die Ganzkörperverschleierung lässt kaum einen Sonnenstrahl an die Haut und gefährdet die Gesundheit durch den Lichtmangel unserer Breitengrade. Die Muttermilch stillender Mütter mit Niqab weist in Europa einen signifikanten Vitamin D Mangel auf, der bei den Säuglingen Rachitis Vorschub leistet[39], bei den Frauen selbst begünstigt dieser Vitaminmangel, der nicht ausreichend durch Fisch, Milch und Getreide ausgeglichen werden kann, schon in jungen Jahren Osteoporose.

Man sagt, jemand nimmt etwas „auf die leichte Schulter“ oder trägt eine Verantwortung für ein Unternehmen auf seinen oder hoffentlich auch mal: Auf ihren „Schultern“. Überall auf der Welt haben Mädchen und Frauen Schultern, nur eben da nicht, wo ein weiter fußlanger Tschador mit oder ohne Khimar / Hijab die Haare einschließlich Haaransatz verdeckt und die Körperkonturen verschwimmen lässt. Als meist unifarbene, dunkle oder rabenschwarze, gesichtslose Mumien verhüllt bis auf den Sehschlitz, gehen Frauen durch die Straßen, verkleidet wie ein Schlossgespenst, oder wie seiner Zeit der Herr der Unterwelt, der gruselige Belfegor einer alten Fernsehserie. Durch die Frauen- und Körperfeindlichkeit des Islams davon überzeugt, ständig von der eigenen ’Unreinheit’ durch die Monatsblutung bedroht zu sein, glauben die Fundamentalistinnen sich verpflichtet, durch das bodenlange Gewand, das kaum einen Zentimeter des Körpers unbedeckt lässt, das männliche Umfeld vor Besudelung und Teufelsnähe[40] zu bewahren. Würde man ihnen eine Glocke in die Hand geben, sähen sie aus wie Leprakranke im Mittelalter, die, in lange Gewänder gehüllt, mit der Glocke läutend und laut „unrein“, „unrein“ rufend die Menschen warnen mussten, wenn sie durch die Straßen gingen. Tschador mit Niqab dienen jedoch auch als ’Schutzkleidung’, um die TrägerIn vor dem Schmutz der unverschleierten Frauen abzuschirmen. Die Ohren zugedeckt, das Blickfeld bis auf einen Spalt eingeschränkt, wie sollen Frauen mit einem solchen Stoffverband „ganz Ohr“ sein oder „alles im Blick“[41] haben? Keine Frau kann jemandem so vermummt „die kalte Schulter“ zeigen.

Der Niqab ist keine Privatangelegenheit, er ist hochpolitisch und antidemokratisch, weil er Qualitätsstandards der Aufklärung, der Demokratie und des Feminismus attackiert und ironisiert, in der Verfassung garantierte Rechtsansprüche nach eigenem Gutdünken legalistisch missbraucht bzw. verwirft und Toleranz für diese Geisteshaltung einfordert. DemokratInnen dürfen nicht zulassen, dass Frauen sich ihres Frauseins, ihrer Schönheit und Weiblichkeit zu schämen haben. Wenn das offene Haar und die Schönheit der Frauen Begehrlichkeiten bei den Männern weckt, wäre es besser, den Männern fesselnde Handschellen anzulegen als den Frauen Kopftuch und Burka oder Tschador mit Niqab. (so sinngemäß Ralph Giordano anlässlich einer Podiumsdiskussion). Es kann nicht sein, dass salafistische FundamentalistInnen sich anmaßen, bestimmen zu dürfen, wer „Gesicht zeigen“ darf. Wir müssen verhindern, dass mittels muslimischer Kleidung islamistisch-salafistisches Umweltverändern beginnt, unsere Freiräume und Kommunikation untereinander einzuschränken.

12. Für Frauen, die sich mit dem Gedanken tragen zu konvertieren oder einen Moslem zu heiraten

Die meisten dieser Konvertitinnen treten zum Islam über, weil sie einen muslimischen Partner heiraten wollen. Besonders wenn diese Frauen in nicht islamischen Ländern aufgewachsen sind und in einem säkularen demokratischen Land sozialisiert wurden, sollten sie sich vorher im Internet[42] und bei neutralen Beratungsstellen[43] über mögliche Konsequenzen des Glaubenswechsels für die Beziehung zur Ursprungsfamilie, z.B. zu den eigenen Eltern informieren. Selbsthilfegruppen sind eine gute Möglichkeit Informationen zu sammeln und Erfahrungen auszutauschen. Sollten Kinder aus früheren Beziehungen im Haushalt oder bei anderen Erziehungsberechtigten leben, ist eine wichtige Frage, welche Veränderungen sich für diese Jungen und vor allem Mädchen ergeben werden. Wie werden Schule / SchulkameradInnen der Kinder reagieren und wie akzeptiert die Familie die eigenen FreundInnen, KollegInnen, NachbarInnen, Bekannten, wenn sie von dem Vorhaben zu konvertieren erfahren? Wird die Familie des Mannes die neue Frau akzeptieren?

Sicherlich haben Verliebte andere Interessen, doch gerade damit dieses Hochgefühl starke Wurzeln bekommt und dauerhaft wachsen kann, wäre es nicht nur um künftige Missverständnisse und Streitigkeiten zu vermeiden wichtig, sich in der fremden Religion auszukennen. Einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensgestaltung im Alltag haben Koran und Hadithen, die zur Sunna zusammengefasst wurden. Auch die Scharia ist eine wichtige Orientierungshilfe für MuslimInnen, fast alle islamischen Länder nutzten beispielsweise dieses theokratische Regelwerk als Quelle für Gesetzgebung und Rechtsprechung in Fragen des Ehe- und Familienrechts, wenn die Maßgaben und Vorschriften auch unterschiedlich stark einfließen (Türkei < style="" href="#_ftn44" name="_ftnref44" title="">[44]. Gerade weil die Konversion endgültig und unwiderruflich ist und kinderlose Ehen für MuslimInnen sehr ungewöhnlich sind, sogar als schändlich zu gelten haben, sollten neben den Rechten und Pflichten der zukünftigen Ehefrau nicht zuletzt Regelungen bezüglich des Kindeswohls der aus der Ehe hervorgehenden Kinder und Folgen für deren Nachkommen bekannt und mit dem neuen Partner abgesprochen sein. Belange und Rechtsansprüche mit betroffener Dritter, wie Kinder aus einer früheren Beziehung, deren geschiedene oder getrennt lebende Väter einschließlich deren eventuellen neuen PartnerInnen und den Großeltern väterlicherseits sind abzuklären.

Der künftigen Mutter sollte klar sein, dass Kinder von Muslimen Generation für Generation ausnahmslos muslimisch sind und nach den Regeln des Islams erzogen werden müssen, die im Wesentlichen auf Scharia, Koran und Sunna beruhen. Obwohl die Jungen und Mädchen nicht gefragt werden müssen und durch die Übertrittsentscheidung der Mutter von dieser Weltreligion einfach vereinnahmt werden, können sie auch später als Erwachsene nach der bisherigen Auffassung nicht austreten. Sie gelten wie alle, die den Islam verlassen wollen als Apostaten (Abtrünnige), die wo immer auf der Welt sie sich aufhalten, getötet werden können. MuslimInnen ist es auch nicht erlaubt, Andersgläubige zu heiraten Sollte sich die Tochter doch in einen Hindu oder Christen verlieben, ist dieser gezwungen zu konvertieren. Wo bleibt da die viel gepriesene Freiheit im Glauben? Was wird aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit?

13. Wissenswertes

Frauen, die einen Moslem heiraten wollen, sollten daher folgende Punkte überdenken:

Obwohl ausländische Ehepartner einer Deutschen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind und zwei Jahre mit der PartnerIn in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt haben (keine Abschiebung mehr möglich), sollten Frauen trotzdem auf einer standesamtlichen Trauung bestehen, weil die alleinige Imam-Ehe[45] in der BRD nicht anerkannt und auch nicht rechtsgültig ist. Genauso wichtig wie bei allen Eheschließungen ist es, in jedem Falle einen notariellen Ehevertrag abzuschließen, um beispielsweise Erziehungsfragen bezüglich der aus der Ehe hervorgehenden und eventuell in die Ehe eingebrachten Kinder (Besuchsrecht, wenn diese beispielsweise bei ihrem Vater leben) einvernehmlich zu regeln. Sollte die Ehe eines Tages scheitern, wäre es besser, neben dem eigenen Unterhalt auch das Sorgerecht, das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die gesetzliche Vertretung und das Besuchsrecht aller eigenen minderjährigen Kinder, auch denen aus einer vorhergehenden Beziehung, schriftlich fixiert zu wissen. Eigene Urkunden und Pässe sowie die der Kinder niemals aus der Hand geben und an einem sicheren Ort aufbewahren, gerade auch bei Besuchen im Ausland.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass besonders in den extrem fundamentalistisch-salafistischen Kreisen, die den Niqab favorisieren, der gesamte Alltag künftig akribisch nach den Vorgaben von Koran, Sunna und Scharia gestaltet werden wird, was wiederum Auswirkungen auf die Konvertitin, das gesamte Umfeld der Ursprungsfamilie der Frau und ihren bisherigen Freundeskreis haben wird. So bestimmt der künftige Partner als Familienoberhaupt wer als Besucher erwünscht ist, zu welchen Gelegenheiten die künftige Ehefrau das Haus verlassen darf, er kann sogar vorschreiben, dass seine Partnerin den Kontakt zu ihren Verwandten auf das unbedingt notwendige zu reduzieren hat, wenn diese islamkritisch eingestellt sind.

Nachbarn, Bekannte und Freunde werden langsam versickern, weil sie den Menschen, den sie gut zu kennen geglaubt haben nicht mehr wieder erkennen und die Veränderung der Lebenseinstellung weder gutheißen noch verstehen. Wenn Kontakte zu früheren Arbeitskolleginnen eventuell geduldet werden, diese Verbindungen werden sowieso nicht von Dauer sein und bald einschlafen, wird kein Kollege und nicht Mahram die Frau mehr ansprechen dürfen. Die Ehefrau und Mutter selbst wird bald ihre frühere Berufstätigkeit aufgeben müssen, immer seltener die Wohnung verlassen dürfen und ihrerseits kaum Freundschaften pflegen können. Sicherlich wird es in salafistischen Familien gerne gesehen werden, wenn sie in der Öffentlichkeit, falls sie dann doch aus dem Haus gehen muss, nur noch mit Tschador und Niqab verhüllt in Erscheinung tritt.

Ähnliche Einschränkungen der freien persönlichen Entfaltung und anderer Kinderrechte / Menschenrechte gibt es für die Kinder in der Familie. Grundlage für diese obligatorischen Verhaltensregeln sind das Menschenbild und das Prinzip der Geschlechtertrennung aus Koran, Sunna und Scharia, von denen sich viele Regeln und Verhaltensweisen für Mädchen und Jungen ableiten lassen. Der Jungfräulichkeitskult, Kopftuchgebot, Zwangsverheiratung[46] von Mädchen und Jungen sowie Zwangbeschneidung von Jungen,[47] in manchen Kulturen leider auch Genitalverstümmelung[48] von Mädchen gehören zu solchen .massiv gegen das Selbstbestimmungsrecht verstoßende Traditionen

Zur Jungenbeschneidung: Der im Islam weltweit immer noch als obligatorisch geltenden Vorhautbeschneidung wird sich kaum ein Moslem entziehen können. Mit etwa 5-10 Jahren wird der in ihre Persönlichkeitsrechte, vor allem das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das der sexuellen Selbstbestimmung. massiv verletzende Eingriff durchgeführt. Ungeachtet medizinisch- psychologischer Erkenntnisse wird ein vorislamisches, jahrtausendealtes Initiationsritual aus dem afropazifischen Raum in unsere westeuropäischen Stadtkerne transportiert, wo sie allenfalls für die jüdische Bevölkerungsminderheit üblich war (Brit Milah). Dieses Ritual (Sünnet) einer vormodernen Körpermutilation wird nicht selten auch den männlichen Halbgeschwistern aufgedrängt, zumal wenn sie in Haushalt leben.

Zur Mädchenbeschneidung: Das Wissen über dieses Ritual ist immer noch lückenhaft und tabuisiert. Durch Jahrtausende hindurch tradiert und durch das Vorliegen islamisch-geistlicher Rechtfertigung als ehrenhaft (Malikiten, Hanbaliten) oder sogar verpflichtend (Schafiiten) begrüßt, ist dieser unmenschliche Kult nur schwer auszurotten. Immer wieder entdeckt man neue Risikogebiete (Irakisch Kurdistan, Burma, Malaysia, Indonesien und Indien), wo diese grausame, oft tödliche Verstümmelung im Geheimen durchgeführt wurde und wird, ohne dass die Weltöffentlichkeit bisher davon wusste. In Malaysia, Indunesien und Indien war dieser verbrecherische Brauch völlig unbekannt, bis sich die ’Religion des Friedens’ in Südostasien verbreitete. Auch in Europa werden Mädchen entweder von Beschneiderinnen illegal verstümmelt oder der Clan findet medizinisches Personal, das bereit ist, wegen der drohenden Gefängnisstrafe selbstverständlich gegen ein hohes Honorar, die Verstümmelung gesetzeswidrig durchzuführen[49]. Misstrauen ist immer dann angebracht, wenn die Tochter mit dem Vater oder einer sonstigen Verwandten Urlaub in der Heimat verbringen soll[50].

Als 1999 durch InformatInnen bekannt wurde,

dass ein ägyptischer Frauenarzt in Berlin für 610 €

FGM heimlich als medizinische Dienstleistung

anbot, riskierte ein Kameramann der Fernsehredaktion

des ARD Magazins “Report Mainz“ als Interessent getarnt,

das subversive Gespräch mit versteckter Kamera aufzunehmen.

Ein nach der Ausstrahlung des Beitrags eingeleitetes

Ermittlungsverfahren musste eingestellt werden,

da keine Patientinnenkartei auffindbar war.

Leider wird mit dem weltweiten Trend zur Islamisierung und Rückbesinnung auf alte Rituale und Traditionen vermehrt damit zu rechnen sein, dass diese grausame Verstümmelungspraxis eine Renaissance erlebt und sich neue „Risikogebiete“ erobert.

Während die Konvertitin sich frei für diese Lebensform entscheiden konnte und bewusst in Kauf genommen hat, auf ein selbstbestimmtes, weitgehend individuelles Leben zu verzichten, stehen den Kindern und Kindeskindern wenigstens zur Zeit keine vergleichbaren Handlungsspielräume offen. Solange der Austritt aus dem Islam nicht ohne Nachteile und Einschränkungen oder gar Lebensgefahr möglich ist, kann der Übertritt zum Islam eigentlich keine persönliche Gewissensentscheidung sein. Diese Entscheidung beeinflusst nicht nur den künftigen Lebensstil der Konvertitin selbst extrem, gerade wenn sie sich der salafistischen Glaubensrichtung verbunden fühlt, sondern zwängt auch die eventuell im Haushalt lebenden Töchter und Söhne in ein starres, vor allem für die zehn- bis siebzehnjährigen weiblichen Familienmitglieder stark reglementiertes Lebenskonzept, das keine AbweichlerInnen duldet. Manchen bisher haltlosen Jugendlichen mag dieses enge Korsett an Handlungsmöglichkeiten die lang vermisste Orientierung bieten und in einer unübersichtlich erscheinenden Umwelt willkommene Leitlinie sein. Andere jedoch fühlen sich in ihren bisherigen Freiräumen und Gestaltungsoptionen jedoch massiv eingeschränkt, haben aber keine Möglichkeit, innerhalb der Familie einen auf ihre Bedürfnisse, Träume und Entwicklungschancen ausgerichteten individuellen Lebensstil auszuhandeln.

Manche weibliche Teenager werden die nach dem vormodernen Frauen- und Männerbild ausgerichtete Genderapartheit nicht verstehen und akzeptieren können und gegen die schmerzlichen Einschränkungen opponieren, da Ausgehverbot, Kontakteinschränkungen, Kleidervorschriften, Kopftuch in der Öffentlichkeit, die Mutter außerhalb des Hauses nur noch im Tschador und Niqab zu sehen, Schminkverbot, die ständige Kontrolle durch den ’Stiefvater’ und dessen männliche Verwandte sowie die aufgedrängte Konversion ihre bisherige Erziehung und Sozialisation ad absurdum führen und daher nicht zu ertragen sind. Besonders wenn etwa gleichaltrige Brüder in der Familie leben, für die sich durch die Bevorzugung des männlichen Geschlechts außer der Gebetspflicht, dem Fasten und gelegentlichen Moscheebesuchen nur wenig an der bisherigen Lebensführung ändert, werden die Töchter andauernd daran erinnert, ein angeblich verteufeltes Mängelwesen zu sein, dass sich seiner Aurah zu schämen hat. Es ist daher nicht verwunderlich, dass vor allem einige Mädchen allen Mut zusammennehmen, um ihre leiblichen Väter oder sonstige Verwandte zu bewegen, mit der Ex-Partnerin zu besprechen, sie auf Dauer aufzunehmen. Ist dies nicht möglich, bleibt den Teenagern noch der Gang zu Polizei oder Jugendamt, der Anruf beim Jugendtelefon oder die Kontaktaufnahme zu einer Kriseneinrichtung[51]. Kommt es zu einem Verfahren vor dem Familiengericht, muss die Mutter sich darauf einstellen, das Sorgerecht für ihre Kinder aus erster Ehe an deren leiblichen Vater abgeben zu müssen. Selbst wenn Kinder aus erster Ehe nur im Rahmen des Besuchsrechts bzw. Umgangsrecht die Mutter regelmäßig besuchen, wird die Umstellung auf die neuen Lebensgewohnheiten und strengen Regeln schwer fallen und vielleicht das sicherlich sowieso schon belastete Verhältnis trüben.

14. Kollektivismus gegen Individualismus

Ob es der Neomuslima wenigstens gelingen kann, eine tragfähige Mutter-Kind Beziehung zu den sicherlich bald nach der Heirat geboren werdenden Töchtern und Söhnen aus der jetzigen Ehe aufzubauen, die gegenseitig jede und jeden gleichermaßen als eigenständige Persönlichkeit mit individuellen Stärken, Schwächen, Interessen und Wünschen akzeptiert und wertschätzt, ist fraglich, da die Erziehungsziele im Islam die kollektivistische Umma und deren Vorteil in den Vordergrund stellt. Während die Jungen vor allem ein nützliches und kampfstarkes Mitglied des weltweiten Kollektivs werden sollen, haben die Mädchen nur die Aufgabe für die Reproduktion des Weltislams zu sorgen. Das weitgehend selbstbestimmte, gleichberechtigte, demokratische Individuum mit eigenen Interessen, Wünschen und Träumen ist im derzeitigen Islam nicht gefragt.

Oft wird unterschätzt, dass gerade bei der Heirat mit einem Partner aus dem orientalisch-islamischen Kulturkreis auch die Familie des künftigen Bräutigams mitgeheiratet wird. Sollten Kinder aus einer früheren Beziehung im Haushalt leben, wird der Druck zum ’wahren Glauben zu finden’ immens sein. Neben der Mutter und dem ’Stiefvater’ werden auch die Frauen aus dem Clan des Ehemannes besonders argwöhnisch darauf achten, dass die Kinder aus der bestehenden Ehe streng nach den Regeln des Korans, der Sunna und der Scharia erzogen werden und in einer Umgebung aufwachsen, die einen islamisch-traditionellen Lebensstil nicht in Frage stellt oder gar gefährdet. Möglicherweise wird man einer Konvertitin die notwendige Festigkeit im Glauben und das erforderliche Wissen nicht zutrauen und, gerade wenn kein Kontakt zum leiblichen Vater besteht, dafür Sorge tragen, dass die „Stiefkinder“ in der traditionell muslimischen Verwandtschaft aufwachsen. Kleine Kinder werden sich kaum dagegen wehren können, aus der Kernfamilie herausgenommen zu werden. Auch der konvertierten Mutter werden die Hände gebunden sein, ist sie doch davon überzeugt, dass nur eine kompetente religiöse Unterweisung den Weg ins Paradies ebnet. Um nicht als Zweiflerin ihren hart erkämpften Platz in der Hierarchie des Clans zu verlieren und vor allem als gute Mutter und gehorsame Muslima nicht in den Verdacht zu geraten, das Seelenheil ihrer Kinder zu gefährden, muss sie dem Fortzug zustimmen. Auch die weiblichen muslimischen Verwandten werden sicher sein, mit dieser Maßnahme ihre traditionelle und religiöse Rolle zu erfüllen und dazu beigetragen zu haben, sich ihren Platz im Paradies zu sichern. respektieren und zu akzeptieren. Immer wieder wird es in der Familie zu Konflikten kommen, weil die früher gewohnte freizügige Lebensweise von der neuen Kernfamilie der Mutter nun als gotteslästerlich abgelehnt werden muss. Die Speisevorschriften sind da die harmlosesten Reibungspunkte.

Auch eine islamische Ehe kann scheitern, wie wir wissen erleichtert die männerfreundliche Scharia den Ehemännern die Trennung, meist trifft dieses Scheidungsvorhaben die betroffene Partnerin völlig unvorbereitet. Gerade wenn der Ex-Ehemann aus dem nichteuropäischen Ausland stammt und in seiner Heimat Verwandte leben, besteht die Gefahr[52] einer Kindesentführung in sein Herkunftsland. Seine Großfamilie, die wie er Kinder als ihr Eigentum ansieht[53], wird ihn ’motivieren’, die korangetreue Erziehung seiner Kinder nicht in den Händen einer Konvertitin zu belassen. Sie werden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und schauspielerischem Einsatz dafür Sorge tragen, dass „ihr Fleisch und Blut“ nicht in einer Gesellschaft von ’Ungläubigen’ aufwachsen muss. Den geschiedenen Vater werden sie eindringlich an seine Pflichten als guten Muslim erinnern und androhen, ihn zur Verantwortung zu ziehen, wenn aus den Kindern, speziell den Söhnen, nicht rechtschaffene Glaubensbrüder werden. Der muslimische Vater wird nicht widersprechen können, um nicht sein Gesicht zu verlieren, als abtrünnig und undankbar zu gelten und seinen Platz im Paradies nicht zu gefährden. Die Väter kämpfen mit Hilfe der Großfamilie unter Umständen gnadenlos um ihre Kinder, notfalls mit illegalen Mitteln, weil sie sonst ihr ’Gesicht verlieren’, den Platz im Paradies gefährden. Kein muslimisches Land, in dem die Scharia für juristische Fragen zum Familienrecht herangezogen wird, und das sind die meisten, gibt die Kinder ohne Schwierigkeiten heraus. Zuständige Dienststellen wie Jugendämter, Familiengerichte, Polizei, Bundesanwaltschaft und Bundesgrenzschutz können im Ausland oft nicht tätig werden, weil einschlägige Abkommen von vielen Staaten nicht unterzeichnet wurden.

Wenn zur Zeit der Eheschließung die Heirat nicht standesamtlich registriert wurde, kann die Frau nicht einmal nachweisen, mit dem Kindesentführer verheiratet gewesen zu sein, denn die Imam-Ehe ist auch in den meisten islamischen Ländern nicht anerkannt bzw. muss nachgewiesen werden, was kaum gelingen wird. Ohne den notariellen Ehevertrag, in dem die schriftlichen Absprachen bezüglich des Kindeswohls (Sorgerechts, Besuchsrecht, Aufenthaltsbestimmungsrecht, gesetzliche Vertretung) unwiderlegbar beglaubigt wurden, tendiert die Chance der Mutter die Kinder wiederzusehen oder gar zurückzuholen gegen Null[54]. Das hat mehrere Gründe: Die Umsetzung der Scharia ist landesspezifisch gefärbt. Stammestraditionen, Regierungserlasse und die unterschiedlichen Rechtsschulen beeinflussen die Handhabung des undemokratischen Gesetzes. Für Ausländerinnen sind die ministeriell und administrativ zulässigen familienrechtlichen Regelungen nicht transparent, selbst der gleiche Richter kann ähnlich gelagerte Fälle unterschiedlich entscheiden. Solange Kinderrechte nicht im Grundgesetz explizit integriert sind, wird es auch den involvierten deutschen Dienststellen weiterhin nicht möglich sein, anhand der Handynummer den Kindesentführer ausfindig zu machen, wie der Chemnitzer Fall zeigt.

Mich wundert, dass in Deutschland und Europa zu dem Thema Kindeswohl und Weltanschauungsfragen noch keine aussagekräftigen Untersuchenergebnisse vorliegen. Dringend erforderlich wäre meiner Meinung nach die an den universellen Menschenrechten orientierte, fundamentalismuskritische, interkulturelle Schulung aller Fachkräfte in (sozial)pädagogischen Berufen und eine flächendeckende kommunale Selbstverpflichtung, kostenlose Partnerschaftsberatung gerade für binationale und bikulturelle Paare anzubieten.

Liebe Nora, wie wir sehen ist der Niqab nicht nur ein Stück Stoff.

Ümmühan Karagözlü



[6]IGFM: Martha Bibi leiht Baumaterial und wird zum Dank wegen Gotteslästerung verhaftet. Eine benachbarte Geschäftsführerin, der Frau Bibi bei einem Small-Talk erzählt hat, dass sie sehr ungehalten sei, weil die geborgten Werkzeuge nach Wochen noch nicht zurückgegeben wurden, zeigte die fünffache Mutter bei den Behörden an, weil sie angeblich den Propheten beleidigt habe. Nun ist die Christin wegen Blasphemie angeklagt, ihr droht die Todesstrafe. Ferner auch:

Meine beste Feindin

[9] http://de.wikipedia.org/wiki/Feminismus#Radikalfeminismus_.28Gleichheitsfeminismus.29

[11]http://schariagegner.wordpress.com/2007/12/31/dschihad-im-lehrerzimmer/

[14] Die freien Christinnen und Jüdinnen durften wie die Sklavinnen ihren Kopf und ihr Gesicht nicht verhüllen, der Muslim darf ihren Anblick genießen (Bereich der sexuellen Herrschaft). Die Muslimin ist beschützt, daher der Begriff muhassanat. Die anderen Frauen sind Freiwild.

http://www.ad.nl/buitenland/article1210611.ece

[15] http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,497089,00.html

[17] http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2003/08/11/a0107

http://www.d-a-s-h.org/dossier/13/03_arrangement.html

http://www.hannover.de/data/download/z/dokuzwangsheirat.pdf außerdem:

TERRES DES FEMMES e.V. (Hg.) (2002): Unterrichtsmappe zum Thema Zwangsheirat: »Wer entscheidet wen du heiratest…?« Tübingen

TERRES DES Femmes e.V. (Hg) (2002) : Zwangsheirat. Lebenslänglich für die Ehre. Schriftenreihe NEIN zu Gewalt gegen Frauen. Menschenrechte für die Frau. Tübingen und

http://www.amnesty.at/vaw/cont/laender/tuerkei/tuerkei_ausmass.htm

[18]http://magazine.web.de/de/themen/nachrichten/unicef/2900468-Tuerkei-Auf-in-die-Schule-Maedchen,articleset=2903764,f=mba3.html Die Soziologin Necla Kelek schildert in ihrem Buch die verkaufte Braut die Geschichte der jungen Türkinnen, die für den Brautpreis Deutschland als Importbräute in die ferne Bundesrepublik ’verheiratet’ wurden

[22] http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCtli-Schule#_note-6 siehe auch

http://wdrblog.de/schulblog/2006/04/hauptschulen_in_nrw_in_zahlen.html rechnet man die SchülerInnen

mit Zuwanderungsgeschichte die mittlerweile einen deutschen Pass haben, jedoch nicht in der Statistik

erfasst wurden hinzu, erhöht sich der prozentuale Anteil sicherlich,

http://www.berlin.de/lb/intmig/presse/archiv/20060426.1000.43851.html zumal spätestens seit 2006 mit

hohem Aufwand für die Einbürgerung geworben wird.

[23] http://www.igfm.de/?id=461#2384 , Grenzvergehen (hadd-Vergehen), Abs.2.

[24] "[...] die Frau selbst ist eine 'aurah, weil man sich für sie schämt, wenn sie sich zeigt: genau wie man sich schämt, wenn die 'aurah zum Schein kommt. Und die 'aurah ist das Geschlechtsteil und alles, wofür man sich schämt, wenn es sichtbar wird." Al-Manawî schreibt in seiner Erläuterung desselben: Die Frau ist eine 'aurah "bedeutet, dass ihre Erscheinung und Entblößung vor den Männern verwerflich ist.“

[25] Nach einem Hadith soll der Prophet gesagt haben: "Die Frau hat zehn 'aurah. Wenn sie heiratet, schützt ihr Mann eine von ihnen und wenn sie stirbt, schützt das Grab alle zehn 'aurah."

[26] (Ayatollah Khomeini, Tahrir-ul-Vaseela IV, ins deutsche Hans-Peter Raddatz: Allahs Frauen).

[40] Hadith: wenn ein Mann eine Frau trifft, dann ist der Teufel der Dritte